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Der Knochenbrecher

Der Knochenbrecher

Titel: Der Knochenbrecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Carter
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Noch erstaunlicher war, dass sie nicht gefesselt waren.
    Zitternd hob sie die Hände ans Gesicht und befühlte ihre Lippen mit den Fingerspitzen. Das Zittern steigerte sich zu unkontrollierten panischen Zuckungen, als ihr klarwurde, weshalb sie den Mund nicht öffnen konnte.
    Jemand hatte ihn zugenäht.
    Verzweiflung überkam sie.
    Blindlings flogen ihre bebenden Finger über die Stiche an ihren Lippen wie die eines wahnsinnig gewordenen Klavierspielers. Ihr Wimmern und ihre erstickten Schreie hallten durch den Raum, aber es war niemand da, der sie hätte hören können. Der Faden schnitt tief in die Haut ein, als sie erneut versuchte, den Mund zu öffnen. Sie schmeckte Blut.
    Ganz plötzlich, so als wäre in ihrem Kopf ein Schalter umgelegt worden, bemerkte sie einen noch viel stärkeren und furchterregenderen Schmerz. Er begann zwischen ihren Beinen und ging mit solcher Macht durch ihren Körper, dass es sich anfühlte, als hätte sich das leibhaftige Böse in sie hineingewühlt.
    Instinktiv glitten ihre Hände zur Quelle des Schmerzes, und als sie auch dort die Stiche ertastete, spürte sie, wie alle Kraft sie verließ.
    Panik wallte in ihr auf, und der innere Abwehrmechanismus ihres Körpers flutete ihre Adern mit Adrenalin, das den Schmerz gerade genug betäubte, dass sie sich bewegen konnte. Sie dachte nur noch ans Überleben. Mühsam gelang es ihr, sich aufzusetzen.
    Die Geräusche verschwanden, die Zeit verlangsamte sich, und vor ihren Augen wurde es abwechselnd schwarz und weiß. Erst jetzt merkte sie, dass sie nackt war und auf einem Metalltisch gelegen hatte. Merkwürdigerweise schien er ­höher zu sein als ein normaler Tisch, mindestens dreißig Zentimeter.
    Sie sah auf ihre nackten Füße herab, und erst jetzt merkte sie: Auch ihre Beine waren nicht gefesselt. Hektisch und mit angstvollem Blick suchte sie den Raum ab – er war groß, hatte einen quadratischen Grundriss und Betonboden. Von dort, wo sie saß, blickte sie direkt auf eine Eisentür. Sie schien nicht abgeschlossen zu sein. An den Wänden standen leere Holzregale.
    Ohne noch eine weitere Sekunde zu vergeuden oder dar­über nachzudenken, ob es sich vielleicht um eine grausame Falle handelte, sprang sie zu Boden. Als ihre Füße auf dem Beton aufkamen, ging ein leises Beben durch ihre Wirbelsäule. Eine Millisekunde später explodierte in ihrem Innern ein unvorstellbarer Schmerz. Die Beine knickten unter ihr weg, und sie sackte zitternd auf die Knie. Als sie zu Boden blickte, sah sie nichts als Blut.

40
    Drei Tage waren vergangen, seit man Laura Mitchells Leiche gefunden hatte, und noch immer gab es keine Spur. James Smith, oder wie auch immer er in Wirklichkeit hieß, schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Die Kriminaltechniker hatten recht behalten: Sämtliche Fingerabdrücke aus der Wohnung stammten von einer einzigen Person. Sie waren sofort in die nationale Fingerabdruck-Datenbank eingespeist worden, doch bislang gab es noch keinen Treffer. Offenbar war James Smith nicht im System.
    Bis die Ergebnisse der DNA -Analyse vorlagen, würde mindestens ein weiterer Tag vergehen. Wer auch immer dieser Smith war, dumm war er nicht. Dadurch, dass er den häufigsten aller amerikanischen Männernamen angenommen hatte, war er automatisch unter Tausenden von Menschen verborgen. Selbst wenn Hunter die Einsatzzentrale bat, die Liste aller James Smith in L. A. einzugrenzen, indem sie die Kandidaten nach Körpergröße und geschätztem Alter filterten, wäre sie immer noch zu lang. Ganz davon abgesehen, dass James Smith wohl kaum sein richtiger Name war.
    Das Apartment in Norwalk war gemietet und ein Jahr im Voraus in bar bezahlt worden. Hunter sprach mit dem Vermieter, einem Mr Richards. Er war ein Ladenbesitzer im Ruhestand und wohnte in Palmdale. Er ließ Hunter wissen, dass er James Smith lediglich zweimal persönlich begegnet sei – einmal, als dieser zwei Jahre zuvor die Wohnung angemietet habe, und ein zweites Mal zwölf Monate später, als Smith den Mietvertrag verlängert und das nächste Jahr Miete inklusive großzügig bemessenem Nebenkostenabschlag im Voraus bezahlt habe. Kein Wunder also, dass sie keine entsprechenden Rechnungen in der Wohnung gefunden hatten.
    Mr Richards betonte außerdem, dass Mr Smith in den zwei Jahren, die er nun schon in der Wohnung wohne, ein vorbildlicher Mieter gewesen

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