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Der König Von Korsika

Titel: Der König Von Korsika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Kleeberg
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stieß sie leicht zitternd wieder aus.
    Bleiben Sie besser bei mir, ich brauche Sie noch, scherzte der Holsteiner.
    Theodor verneigte sich, stieg steifbeinig auf sein Pferd, und sie ritten im Schritt auf die Anhöhe mit der verlassenen Windmühle, von wo aus das Schlachtfeld zu überblicken sein würde, sobald die Dämmerung anbrach.
    Der trübe, regnerische Sterbenstag begann mit dem enervierenden Lärm trockener Trommelwirbel und im Wind knatternder Regimentsfahnen. Theodor hatte einen sauren Geschmack im Mund und Magendrücken, er hatte nichts zu sich nehmen können, der Gedanke, mit vollem Bauch zu sterben, war ekelerregend.
    Die Ebene zwischen dem Hügel, auf dem er mit Görtz stand, und den beiden leichten Kuppen, auf denen sich der gegnerische Generalstab postiert hatte, war ein graugrün verwischtes Meer. Linker Hand bildeten einen Bach säumende Pappeln den Horizont. Einen Steinwurf unter ihm plauderten die Kanoniere bei ihren Lafetten. Görtz sprach auf schwedisch mit dem kommandierenden General, beschrieb mit der Hand einen Bogen.
    Wir werden die aufgehende Sonne im Gesicht haben, wenn sie denn durch die Wolken kommt, versuchte Theodor einen fachmännischen Kommentar. Er fühlte sich hilflos und verwirrt. Sein Geist sprang unaufhörlich zwischen der Perspektive eines Schlachtenmalers und der eines in seiner Marschsäule rettungslos eingekeilten Infanteristen hin und her.

    Wir haben die stärkeren Reiter, antwortete Görtz. Es sind nur Schweriner, die haben kein Geld, eine Kavallerie aufzustellen, die den Namen verdient. Eigentlich ist die Sache schon entschieden. Während sie unter unserem Fußvolk wildern, geht unsere Reiterei längs der Pappeln vor, fällt ihnen von hinten in die Flanke und schaltet die Kanonen dort auf dem linken Hügel aus. Heute nachmittag werden sie die weiße Fahne hissen. Es sei denn, ein Genius kommandiert sie, dem etwas Besonderes einfällt. Das weiß man eben nie, und das ist die Würze einer solchen Konfrontation.
    Dies alles im Konversationston, die Tressen seines nassen Dreispitzes flatterten im Wind, links hielt ein Bursche die Zügel seines Pferds, rechts ein anderer das Fernrohr.
    Sobald sie in Schußweite der Kanonen sind, eröffnen wir das Feuer auf die von uns aus gesehen rechte Marschsäule, sagte der General, der eine brennende Pfeife im Mund trug.
    Theodor blickte vom einen zum andern und mußte an die Knabenspiele im Dorf denken, wenn die Kinder Ameisenhaufen anzündeten und den wirren Fluchtmustern der halbverkohlten Insekten zusahen oder ihnen Hindernisse in den Weg legten. Kalte Götter, und er spürte, daß er nicht zu ihnen gehörte, so wie er schon damals nicht zu ihnen gehört hatte.
    Ein Schuß, eine blecherne Fanfare, ansatzloser Galopp den Hügel hinab der verschiedenen Meldereiter und das totenmarschartig einsetzende Bum-Bum der Trommeln, und wie eine Panzerechse, mit züngelnden Bannern, kroch das Heer vorwärts in die regennasse Ebene. Dann blitzte Mündungsfeuer auf, und Donner rollte über die Felder.
    Theodor starrte gebannt auf die breite, gewellte Marschformation, die voranschritt, Spieße voraus, jeder Schritt fiel einen Sekundenbruchteil nach einem dumpfen Trommelschlag. Die Soldaten sanken in den feuchten Wiesen ein. Beine und Herzen wurden nur mehr vom Trommeltakt vorwärtsgetrieben.
Bum-bum-trrt, bum-bum-trrt. Das feindliche Feuer nahm zu. Viel zu kurz, Erdfontänen spritzten gegen den Seidenvorhang des Regens.
    Die Zange der gegnerischen Infanterie öffnete sich, die schwedischen Soldaten gingen ihr entgegen, Schritt für Schritt, ohne Eile, bum-bum-trrt, bum-bum-trrt.
    Feuer! kommandierte der General neben ihm ruhig, das Wort wurde dreimal wiederholt wie ein Echo, dann zerriß beinahe Theodors Trommelfell, die Kanone zuckte zurück wie ein auskeilender Esel, er blickte wieder hinab auf das verregnete graugrüne Feld, wo plötzlich hochschießende Geysire die Einschläge markierten und in dessen Mitte ein unsichtbarer Magnet die Heere an sich zog, und lethargisch wie Rinder näherten sie sich einander, bis sie, wie es heißt, das Weiße im Auge des Gegners sehen konnten.
    Theodor ist mitten unter ihnen, seine Muskeln und Gelenke schreckensstarr, alles in ihm schreit: Fort hier! Laßt mich raus! Aber es gibt keine Freiheit, nur das fatale Aufeinanderzu. Sehenden Auges, eingekeilt zwischen die vor Angst schwitzenden Nachbarn, im Bewußtsein des Wahnsinns und der Sinnlosigkeit auf Kollisionskurs mit dem Tod, der dir als blankes Eisen in den

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