Der König von Luxor
gelassen, und Carter fragte sich, ob dieser junge Kerl ein so ausgekochter Betrüger oder ob er sich seiner Sache nur sicher war. Jedenfalls ließ er ihn nicht aus den Augen, als er an das Gitter trat und einen Wächter, der auf einem Stuhl am Ende des langen Flurs vor sich hindöste, mit einem heftigen »Pst« herbeirief.
Der Wächter kam Sayyeds Aufforderung mit deutlichem Unwillen nach. Er murmelte einen unverständlichen Fluch und schleifte mit seinen abgetretenen Latschen über den steinernen Boden. Man konnte hören, daß Sayyed ihm etwas zuflüsterte, aber verstehen konnte man es nicht. Schließlich entfernte sich der Wächter ebenso geräuschvoll, wie er gekommen war.
Nach ein paar Minuten erschien Hamdi-Bey am Gitter, und zwischen ihm und Sayyed kam es zu einer längeren Flüsterunterhaltung, in deren Verlauf Sayyed sich des öfteren umdrehte und mit dem Finger auf Carter zeigte. Nach kurzem Disput entfernte sich der Polizeivorsteher.
Sayyed schlug wütend mit der Faust gegen das Gitter und kehrte mit zusammengepreßten Lippen zu Carter zurück. Solange die Mitgefangenen die Augen auf sie gerichtet hielten, zog der Junge es vor zu schweigen. Erst als diese das Interesse an dem Vorfall verloren zu haben schienen, raunte er Howard zu, wobei er ihm die Hand mit gespreizten Fingern entgegenstreckte: »Der Hundesohn gibt sich damit nicht zufrieden. Er will fünf Pfund!«
Howard hatte sich schon kurz vor seiner Freilassung gesehen. Sollte alles vergeblich gewesen sein? Wenn er jetzt lange hin und her überlegte, mußte er damit rechnen, daß man ihm sein gesamtes Vermögen abnahm. Immerhin wußte nun Hamdi-Bey, daß er Geld bei sich hatte. Deshalb zog er weitere drei Pfund unter seinem Hemd hervor und gab sie Sayyed.
Das Spiel begann von neuem. Erst kam der Wächter, dann Hamdi-Bey, und blitzschnell wechselten fünf englische Pfund ihren Besitzer. Hamdi-Bey verschwand.
»Alles in Ordnung, Mister Carter«, meinte Sayyed, als er zurückkehrte.
»Nichts ist in Ordnung«, zischte Howard zurück, »ich habe fünf Pfund bezahlt, und ich will hier raus!«
Beschwichtigend hob der Bursche beide Hände: »Warten Sie’s ab! Hamdi-Bey ist zwar ein Gauner, aber er ist kein Betrüger.«
»Wo ist da der Unterschied?« rief Howard leise und verbittert. Seine Wut steigerte sich ins Unermeßliche. Aber was sollte er tun? Sollte er schreien, toben, um sich schlagen? Während er mit unruhigen Augen nach einem Ausweg aus dieser ausweglosen Situation suchte, während er sich ernsthaft mit dem Gedanken trug, eine Ohnmacht zu simulieren und die erhoffte Behandlung zur Flucht zu nutzen, öffnete der Wächter das Gitter und zeigte auf Carter und Sayyed und rief: »Zum Verhör!«
Die beiden warfen sich einen verstohlenen Blick zu und kamen der Aufforderung nach, und ehe sie sich versahen, standen sie vor der Polizeistation auf der Straße.
»Habe ich es nicht gesagt«, meinte Sayyed, »Hamdi-Bey ist zwar ein Gauner, aber kein Betrüger.«
Howards erster Weg führte ihn zum Hotel »Luxor«, das nicht weit entfernt von der Polizeistation an der Uferpromenade lag. Er war aufgeregt wie damals vor Jahren in Swaffham und legte sich die passenden Worte zurecht, mit denen er Sarah begegnen wollte. Halblaute Sätze deklamierend, betrat er das Hotel und erkundigte sich beim Portier nach Mrs. Sarah Chambers.
»Bedaure«, meinte der kleine, freundliche Ägypter am Empfang, »eine Dame dieses Namens logiert nicht bei uns!«
»Vielleicht eine Mrs. Sarah Jones?« Howard sah den Portier beinahe flehend an.
»Auch keine Mrs. Sarah Johnes, Sir!«
»Aber gewiß ist eine Engländerin in Ihrem Hotel abgestiegen!«
Da wurde der kleinwüchsige Portier ungehalten, er blickte entnervt gen Himmel und entgegnete: »Sir, wir sind ein großes Hotel und beherbergen nicht nur eine Engländerin. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen wollen.«
Bakschisch!, schoß es Howard durch den Kopf, und er erinnerte sich, was Sayyed in der Gefängniszelle gesagt hatte. Also steckte er dem Ägypter am Tresen zwei Piaster zu und fragte: »Dürfte ich einen Blick auf Ihre Gästeliste werfen?«
Das war dem Portier gar nicht recht, und er lugte besorgt nach allen Seiten, bevor er Howard die Liste hinüberschob. Als alleinreisende Engländerinnen waren vermerkt: Mrs. Showkey aus Gloucester, Miss Evans aus Manchester, Mrs. Jane Cullen mit Tochter Mary aus Brighton und Lady Elizabeth Collingham aus London South Kensington.
Enttäuscht gab Carter die Gästeliste
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