Der König von Luxor
Navilles. Sie waren mit Körben, Vorschlaghämmern, Meißeln, Hacken und schweren, gespitzten Eisenstangen ausgerüstet.
»Viel Glück!« raunte ihm Lady Collingham zu, als Carter sich durch die Reihen drängte, und der Aga rief leise: »Allah möge Ihre Hand führen, Mr. Carter!«
Howard bedankte sich zurückhaltend mit einem Kopfnicken, und dabei blieb ihm nicht verborgen, daß hinter Ayats mächtigem Rücken Emil Brugsch hervorlugte. Carter hatte beinahe sein Ziel erreicht, als ihn jemand energisch am Ärmel festhielt. »He, Mr. Carter, gratuliere zu Ihrem Erfolg!«
Als er sich umdrehte, stand vor ihm »Porchy«, Lord Carnarvon.
»Mylord!« rief Howard freudig erregt. »Sie hätte ich heute zuallerletzt erwartet!«
»Sollte eine Überraschung sein«, meinte Carnarvon augenzwinkernd. Und an eine hübsche Dame neben ihm gewandt: »Almina, darf ich dir Mr. Carter vorstellen. Als wir uns zuletzt begegneten – es war in Didlington Hall –, half er noch, Amhersts Sammlung zu kopieren. Heute ist er ein berühmter Ausgräber. Und das, Mr. Carter, ist meine Frau Almina.«
Howard begrüßte Lady Almina: »Es ist mir eine große Ehre, Mylady, Sie an diesem großen Tag hier zu wissen.«
»Gut, gut«, wehrte Carnarvon ab, »lassen Sie sich von uns nicht stören. Und toi, toi, toi.«
Ein paar Schritte weiter traf Carter auf die Amhersts. Lord Rockley fehlte. »Wo ist dein Verlobter?« fragte Howard Alicia.
Alicia winkte ab. »Er wollte lieber auf Kaninchenjagd gehen. Nein, das hier ist nichts für Rockley.«
An Seine Lordschaft gewandt, meinte Carter: »Wußten Sie von der Ankunft Lord Carnarvons in Luxor?«
»Mir war bekannt, daß er mit seiner jungen Frau Ägypten bereisen wollte. Aber daß er ausgerechnet an diesem bedeutsamen Tag hier anwesend sein würde, das wußte ich nicht.«
Lady Margaret trat näher an Carter heran, und beinahe im Flüsterton bemerkte sie: »Wie finden Sie seine Frau Almina Wombwell?«
»Sie ist wirklich sehr schön – wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
»Naja«, entgegnete Lady Margaret argwöhnisch, und dabei blickte sie verschnupft zur Seite, »ihr Vater ist keineswegs Sir Frederic Wombwell, sondern Baron Alfred de Rothschild.«
»Ach«, erwiderte Carter nur aus Höflichkeit; denn in Gedanken war er längst bei seiner Arbeit.
»Ja, in der Tat«, zischte Lady Margaret, »Rothschild hat Almina zur Hochzeit 250000 Pfund geschenkt! Können Sie sich das vorstellen, Mr. Carter?«
»Margaret«, fuhr Lord Amherst dazwischen, »Mr. Carter interessiert sich im Augenblick gewiß für andere Dinge als die Familienverhältnisse der Carnarvons.«
Howard nickte dankbar. Als er endlich am Schacht angelangt war, wurde es ruhig. Bedächtig wie ein altägyptischer Priester stieg Carter die Stufen hinab, nahm noch einmal das Mauerwerk in Augenschein und rief die zwei kräftigsten seiner Helfer mit ihren Eisenstangen nach unten. Dann deutete er auf eine Stelle in halber Höhe der Gesteinswand und gab den beiden ein Zeichen.
Die beiden Männer hielten ihre Eisenstangen wie Seiltänzer. Schließlich begannen sie, jeder für sich, in seitlicher Haltung die schweren Stangen in Pendelbewegungen zu versetzen, so daß die Spitzen gegen das Mauerwerk krachten. Das dabei verursachte Geräusch entlockte den Zuschauern, die den eigentlichen Vorgang im Schacht nur hören konnten, ein vielfaches »Oh!« und »Ah!«, das sich steigerte, je heftiger die Stöße aus der Tiefe nach oben drangen.
Was mochte Naville bewogen haben, dem Ereignis fernzubleiben, dachte Carter, während er, auf den Stufen sitzend, jeden einzelnen Schlag verfolgte. Das morsche, brüchige Gestein setzte den schweren Werkzeugen keinen nennenswerten Widerstand entgegen, und es dauerte nur eine halbe Stunde, bis die kräftigen Männer ein Loch, so tief wie ein Unterarm, in die Wand geschlagen hatten.
Carter beorderte die beiden Männer nach oben und beauftragte zwei andere, die mit Körben bereitstanden, den Mauerschutt zu beseitigen. Nachdem diese Arbeit verrichtet war, kamen zwei weitere Helfer mit Spitzhacken zum Einsatz, die das Mauerloch auf Armlänge verbreiterten, worauf wiederum die Schutträumer in Aktion traten.
Die Angelegenheit ging schweigsam vonstatten, so als wäre sie von allen Beteiligten mehrmals geprobt worden. Die Ruhe und Präzision, mit der die Arbeit ablief, versetzte die Zuschauer – sogar die Herren der Altertümerverwaltung und einige ausländische Ausgräber – in Erstaunen. Die Spannung wuchs.
Nach
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