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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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die Knie ging und ihren zuckenden Körper nach hinten neigte, da gab ihr Carter einen Stoß, daß sie hintüberkippte und unsanft auf dem Rücken zum Liegen kam.
    Augenblicklich setzte die Musik aus, und die ausgelassene, übermütige Stimmung schlug um in Unmut und Empörung. In Unkenntnis des Geschehens drängte sich Mustafa Aga Ayat durch die dichtgedrängten Reihen der Gäste, und als er die Tänzerin auf dem Boden liegen sah, gab er zwei Lakaien ein Zeichen, ihr auf die Beine zu helfen.
    Howard, der diesen Ausgang nicht voraussehen konnte, warf Lady Collingham einen hilfesuchenden Blick zu. Die hatte die bedrohliche Situation bereits erfaßt. Energisch packte sie Carter am Arm, und so, daß es alle Umstehenden hören konnten, sagte sie: »Kommen Sie, Howard, ich halte es für besser zu gehen.«
    Während die Kapelle erneut zu spielen begann, drängte Elizabeth Howard nach draußen.
    »Warum hat sich diese Schlampe ausgerechnet an mich herangemacht mit ihren Spielchen«, knurrte Carter ungehalten.
    Sie waren gerade dabei, das Haus zu verlassen, als der Aga aus dem Hintergrund auftauchte und, als wäre nichts geschehen, hinter ihnen herrief: »Mylady, Mr. Carter, Sie wollen mich schon verlassen?«
    Elizabeth wandte sich um: »Ja, wir wollten ohnehin gehen, Mr. Ayat. Und in Anbetracht des bedauerlichen Vorfalls…«
    »Entschuldigen Sie mein Verhalten!« fiel ihr Carter ins Wort. »Das Ganze ist etwas unglücklich abgelaufen.«
    Der Aga trat näher hinzu und sagte leise: »Wissen Sie, Mr. Carter, wäre es irgendeine zweitklassige Tänzerin, die Sie zu Boden gestoßen hätten, dann würde kein Hahn danach krähen. Aber bei der Tänzerin handelt es sich um Leila. Und Leila wird in Ägypten verehrt wie eine Heilige. Bei uns sind manche Huren Heilige, und Leila ist die größte von allen. Ich befürchte, Sie haben sich alle Männer Ägyptens zum Feind gemacht.«
    »Schicksal«, erwiderte Carter trocken; aber der Tonfall seiner Stimme verriet große Unsicherheit.
    »Jedenfalls werde ich Ihre Entschuldigung weitergeben«, bemerkte Ayat und reichte erst Lady Collingham, dann Carter die Hand. Aus dem Inneren des Hauses drangen wilde Musik und übermütiges Gelächter.
     
     
    Zur Öffnung des Grabes hatte Carter dreißig Gäste geladen, aber seit Tagen wußte er, daß es mehr sein würden. Mit diesem Andrang allerdings hatte er nicht gerechnet. Dreihundert mochten es wohl sein, die den Pfad von der Nillände hinauf nach Der-el-Bahari stapften, mit Klappstühlen, Sonnenschirmen und Picknickkörben ausgerüstet. Die meisten dem feierlichen Anlaß angemessen in feiner Kleidung und erwartungsfroh gestimmt.
    Carter hatte Wort gehalten und den Termin in den Hotels in Luxor angeschlagen. Natürlich gab es kaum jemanden, der sich das einzigartige Ereignis entgehen lassen wollte, außer er war bettlägerig oder über neunzig. Von Wally Buck, der Witwe eines Fabrikbesitzers aus Chicago, die den Winter seit zwei Jahrzehnten regelmäßig in Luxor verbrachte, erzählte man sich allerdings, sie sei jenseits der neunzig; aber genau wußte das niemand zu sagen. Miss Buck jedenfalls wurde von zwei stämmigen Fellachen in einem Korbstuhl, an welchem seitlich zwei Tragestangen befestigt waren, wie in einer venezianischen Sänfte, nach Der-el-Bahari geschleppt – für die meisten keine Besonderheit, weil sich die alte Dame während ihres Aufenthaltes tagtäglich so fortzubewegen pflegte. Und weil sie es gerne bequem hatte, trugen zwei weitere Lakaien einen zum Sitzmöbel passenden Tisch voraus und einen Reisekoffer mit Wäsche zum Wechseln.
    Bereits in der Nacht hatten Arbeiter den Zugang freigeschaufelt und ein Geländer um die Grube angebracht. Für die geladenen Gäste waren Stühle aufgestellt und weiß gedeckte Tische mit kalten Getränken gebracht worden. Der Kulturminister erschien europäisch gekleidet und in Begleitung von zwei ranghohen Beamten mit Fes auf dem Kopf, ebenso die Herren der Altertümerverwaltung. Von je vier Leibwächtern in langen weißen Gewändern wurden der Mudir aus Kena und der Nasir von Luxor begleitet. Das konsularische Korps erschien mit Damen, die sich kaum voneinander unterschieden, weil alle breitkrempige Hüte trugen und lange weiße Kleider. Als Carter gegen acht Uhr die Szene betrat – er trug einen hellen Anzug und Fliege –, wurde er mit Beifall empfangen. Höflich zog er seinen Panama-Hut und schwenkte ihn nach allen Seiten. In seiner Begleitung befanden sich sechs der besten Grabungsarbeiter

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