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Der König von Luxor

Der König von Luxor

Titel: Der König von Luxor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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ließ sich Howard in den alten, zerschlissenen Sessel fallen, den er aus London mitgebracht hatte, und starrte in den matten Schein der Petroleumlampe. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und dachte nach, genauer gesagt versuchte er seine Gedanken und Erlebnisse zu ordnen, und er fragte sich, warum in aller Welt es Tage gibt, an denen das Schicksal mehr von sich reden macht als sonst in einem Jahr?
    Howard fühlte auf einmal eine unbändige Kraft in sich aufsteigen. Die Kraft, ein hohes Ziel zu erreichen. Er mußte nur die erste Stufe des Erfolges erklimmen, er brauchte jemanden, der ihm über die erste Klippe hinweghalf, dann würde sein Leben neuen Auftrieb erhalten. Jetzt kam es ihm vor, als strecke sich ihm eine Hand entgegen, die ihm die Fülle des Lebens darbot. Er mußte sie nur ergreifen.
    Gedankenverloren schreckte er hoch, als es jetzt an der Türe klopfte.
    »Howard?« Es war Kate, die seinen Namen endlos in die Länge zog.
    »Ja, Tante Kate.«
    »Das ist unhöflich. Warum versteckst du dich in deinem Zimmer?«
    »Ich muß nachdenken, Tante Kate.«
    »Du bist uns eine Erklärung schuldig, Howard. Findest du nicht auch?«
    »Ich weiß, Tante Kate. Aber mir ist heute nicht nach Erklärungen zumute. Morgen, Tante Kate. Gute Nacht.«
    »Das ist sehr unhöflich.«
    »Ja, Tante Kate. Es ist unhöflich. Aber morgen werde ich euch alles erklären.«

K APITEL 6
     
     
     
    Kurz nach zehn, auf dem Marktplatz von Swaffham stellten die Händler ihre Waren vor die Ladengeschäfte, schob Owen Hazelford seinen zweirädrigen Handkarren gen Norden in Richtung Bahnhof. Mit dem Morgenzug aus Norwich hatte sich Mr. James Marvin angekündigt, er wolle ein paar Tage in der Sommerfrische verbringen.
    Um diese Zeit herrschte kaum Verkehr auf der Station Street, und Owen erkannte schon von weitem jenen Mann, der ihm im Hansom-Cabriolet entgegenkam: Robert Spink.
    »Zu dir wollte ich gerade!« rief der über die Straße. Er brachte den Einspänner zum Stehen und kurbelte die Bremse fest.
    »Keine Zeit!« erwiderte Owen abweisend. »Ich muß einen Gast vom Bahnhof abholen. Im übrigen will ich mit dir nichts mehr zu tun haben. Laß mich in Ruhe!«
    »Holla, holla. Ich höre wohl nicht richtig?« Spink ging neben Owen her, der sich nicht aufhalten ließ. »Geht man so mit einem alten Freund um?«
    »Freund?« Owen beschleunigte seine Schritte. »Daß ich nicht lache. Deine ›Freundschaft‹ hat mir nur Verdruß eingebracht.« Er spuckte in weitem Bogen auf das Pflaster. »Verschwinde!«
    Spink riß Owen an der Schulter zurück, daß dieser strauchelte, und rief wutentbrannt: »Du hast deinem Vater wohl zuviel Gin geklaut. Solche Töne hört Robert Spink gar nicht gerne. Also was ist los? Es geht um eine wirklich große Sache!«
    »So, um eine große Sache! Aber ich darf wohl annehmen, daß du dir dabei die Finger nicht schmutzig machst. Habe ich recht?«
    Spink tat so, als habe er Owens Frage nicht gehört. »Du kennst die Fabrik meines Vaters. In einem Tresor im Büro lagern vor der Lohnauszahlung am Sonnabend vier- bis fünfhundert Pfund…«
    An der Ecke Spinners Lane blieb Owen stehen und stellte seinen Karren ab. »Bist du taub, Spink? Ich habe die Nase voll von deinen dunklen Machenschaften. Ich will nicht mehr, hörst du. Ich habe wegen dir schon genug Prügel bezogen!«
    Da trat Spink vor Owen hin, packte ihn am Kragen und zog ihn so nahe an sich heran, daß ihre Nasenspitzen sich beinahe berührten. »Du willst doch nicht etwa aussteigen, he?«
    Owen war ein kräftiger Bursche, aber es gelang ihm selten, seine Kraft zielgerecht einzusetzen, und so wirkte der Schubser, den er Robert gab, eher unbeholfen als einschüchternd. Dennoch nahm er all seinen Mut zusammen, und mit Wut im Bauch schrie er Spink an: »Ich sage dir zum letzten Mal, du sollst dir einen anderen Dummen suchen. Mit mir kannst du nicht mehr rechnen!« Owen packte die Deichsel seines Karrens und trabte weiter in Richtung Bahnhof.
    Aber ein Spink ließ sich nicht so einfach abschütteln. Er lief neben Owen auf dem Bürgersteig her und schalt ihn einen Feigling, eine Memme und ein Vatersöhnchen. Und als auch dies keine Wirkung zeigte, da stieß Spink die Drohung aus: »Ich werde dich bei deinem Vater verpfeifen, Owen. Er wird überrascht sein, was sein ach so tugendhafter Sohn auf dem Kerbholz hat!«
    Owen lachte zynisch. »Kannst du ruhig machen. Leider kommst du zu spät, um meinen Vater ernsthaft zu schockieren. Er weiß bereits alles.«
    »Das

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