Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
gestutztes Haar in so ziemlich allen Farben des Regenbogens – blau, orange, gelb, violett, hellgrün – und versteckten ihre Figur unter Männerhemden mit heraushängenden Hemdschößen. Dann gab es Mädchen mit teigigen Gesichtern in Miniröcken und mit dick und schwarz umrandeten Augen. Frauen in Bobbysocks und mit Pferdeschwanz, von denen die meisten Zigaretten rauchten, die sie mit Daumen und Zeigefinger hielten, ein oder zwei davon mit dem Ring des Lebensgefährten an einer Kette um den Hals.
»Großer Gott«, murmelte Scarlett, der gerade mit dem Bier zurückkam. »Du solltest die Bar sehen. Da hat man wirklich das Gefühl, man müsste auf Mädchenjagd gehen und versuchen, eine anzugraben. Nichts als trainierte Münder. Auf der Theke steht eine bis zum Rand mit Streichholzbriefchen gefüllte Kloschüssel und ich hab gesehen, wie einer dieser Typen auf einem Zahnstocher rumkaute und versucht hat, durch die Zähne zu spucken. Das reinste Irrenhaus.«
»Was ist das für eine Brühe?«, fragte Spann, nachdem sie einen Schluck aus ihrem Bierkrug genommen hatte.
»Die haben hier englisches Ale vom Fass, lauwarm und fad, so wie es sein sollte. Man kann hier sogar mit Pfund bezahlen.«
Als Katherine den Bierkrug wieder auf den Tisch zurückstellte, sah sie, dass in das Holz etwas eingeschnitzt war. Irgendwann in den 60er-Jahren hatte da irgendein Spinner in sauberer, klassischer Schrift eingeritzt: »Die Leute sind seltsam, aber die Leute sind nett.« Und in etwas jüngerer Vergangenheit hatte jemand darüber eingeritzt: »Fuck you and your mother.«
»Die Tür dort links«, sagte Scarlett. »Dort muss es sein.«
Spann sah wieder zur Bühne. Ein Roadie hatte inzwischen sämtliche Voodoo-Masken eingesammelt und sie in ein paar Kartons verstaut und die Schachteln dann nacheinander zur linken Seite der Plattform getragen. Spann sah jetzt, wie er an einer Tür links von der Bühne klopfte. Als die Tür aufging, erhaschte sie einen kurzen Blick auf einen hochgewachsenen Mann in einem gelben Anzug. Der Roadie trug die Kartons hinein und ging dann weg, worauf eine Wache aus dem Raum kam und sich vor der Tür aufbaute.
»Der Typ sieht wie Rackstraw aus. Die Beschreibung, die wir von Tipple haben, passt auf ihn.«
»Warten wir, bis die zweite Band kommt und die hier dunkel machen. Dann wollen wir denen einen Besuch abstatten«, schlug Rick Scarlett vor. Er wischte sich mit dem Handrücken Schaum vom Mund.
Während sie die Pause abwarteten und die Roadies neues Gerät aufbauten, versuchte Scarlett zu erkennen, was da aus den Lautsprechern kam. Die meisten Oldies kannte er – Carl Perkins, Johnny Horton, Gene Vincent und Eddie Cochran. Die meisten neueren erkannte er nicht. Während einer aufgemotzten Version von Up a Lazy River bot eine Frau am Nebentisch Spann einen Joint an.
»Nein, danke«, sagte Katherine. »Ich hab schon.«
»Wie du willst«, erwiderte die Frau und zuckte leicht die Achseln.
»Wir haben die erste Band verpasst«, sagte Spann. »Waren die gut?«
»Magst du Voodoo Rockabilly? The Cramps? Die Art von Musik?«
»Ein wenig«, erwiderte die Polizistin.
»Dann könnte dir Voodoo Chile vielleicht gefallen. Die haben zwei Drummer und einen Kontrabass. Nicht meine Kragen…«
Plötzlich ging das Licht aus und sie verstummte mitten im Satz. Überall im Club fingen die Leute an, mit den Füßen zu stampfen. Laute Rufe erschallten. Sie brüllten geradezu. Andere pfiffen. Nach einer Weile strahlte ein Scheinwerferbalken eine Schultafel auf der Bühne an. Auf der Tafel stand in Kreide: »Erase the Blackboard Jungle!«
Dann war die Stimme eines Ansagers zu vernehmen. »Heute, live aus London, England, über die USA zu uns gekommen. Darf ich um eine freundliche Vancouver-Begrüßung für the one and only … RAW-T bitten!«
Mit dem lauten Ruf, mit dem er das letzte Wort ausstieß, stach ein Männerarm aus der dunklen Bühne in den Scheinwerferbalken, wo – ehe irgendjemand sich die Ohren zuhalten konnte – vier schwarz lackierte Fingernägel über die Tafelfläche scharrten. Das elektronisch verstärkte Scharren dürfte einige Nerven zerfetzt haben. Ein Mikrofon in der Nähe verstärkte den Lärm um das etwa Siebenbillionenfache. Während Scarlett die Zähne zusammenbiss und Spanns Nackenhaare sich sträubten, explodierten die Lichter auf der Bühne und ein wiedergeborener Buddy Holly röhrte There’s Good Rockin’ Tonight .
»Gehen wir!«, schrie Scarlett
Sie ließen ihr Bier stehen und nahmen
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