Der Kopfjäger: Der 1. SPECIAL X Thriller
verschaffte.
Als Chartrand jetzt vor dem Fenster stand und über die Implikationen dessen nachdachte, was ihm der Generalstaatsanwalt für British Columbia gerade gesagt hatte, klingelte das Telefon. Er stellte die Kaffeetasse ab und nahm den Hörer beim dritten Klingeln von der Gabel.
»Chartrand«, meldete er sich ruhig.
»François, hier Walt Jessup. Ich rufe von der Küste aus an. Wir haben hier ein ernstes Problem.«
»Ich habe es bereits gehört, Walt. Von anderer Stelle.«
Der stellvertretende Commissioner der Sektion »E« schnaubte. »Ich werde Leute und Gerät brauchen, François. Das wird diesmal schlimmer als das mit Olson. Selbst da hatten wir Bürgerwehren, private Polizeitrupps und unechte Lösegeldforderungen und weiß Gott was sonst noch alles. Ich rechne nicht damit, dass die Feministinnen ähnlich zurückhaltend wie Eltern sein werden.«
»Sollst du haben.«
»Was können wir sonst noch tun? Was soll ich der Presse sagen?«
»Überlass das mir, Walt. Ich denke gerade darüber nach. Ich ruf dich wieder an, sobald ich mich entschieden habe. Du wirst etwas bekommen, versprochen. Lass mir nur zuerst Zeit für eine zweite Tasse Kaffee.«
Der Deputy Commissioner rang sich einen unechten Lacher ab. »Also schön. Aber nicht länger«, sagte er. »Sonst verdrücke ich mich aus der Stadt.«
Nachdem Chartrand den Hörer aufgelegt hatte, ging er in die Küche und goss sich eine zweite Tasse ein. Er zündete sich die dritte Zigarette an und kehrte in sein Arbeitszimmer zurück. Und da, etwa gleichzeitig mit der einsetzenden Dämmerung, kam ihm die Idee.
Er wusste, was getan werden musste. Denn wenn man an der Spitze einer Organisation steht, mit sowohl einer heiligen Pflicht wie auch einer mythischen Legendenbildung, was Vertrauen betrifft – dann setzt man das Beste ein, was man hat.
Selbst wenn man es nicht mehr hat.
Vancouver, British Columbia
08:15 Uhr
Genevieve war am Absterben.
Er hielt den Rosenstock locker in der linken Hand und untersuchte ihn bedächtig auf Anzeichen von Fäule oder Krankheit. Aber er konnte dort, wo die Blüte am Stil saß, nur zwei winzige weiße Punkte entdecken. Was auch immer diese Punkte bedeuteten, er hatte diese Symptome noch nie zuvor gesehen. Das ist das Problem mit exotischen Pflanzen, dachte er. Die ziehen sich exotische Krankheiten zu . Draußen vor dem Gewächshaus lag eine blendend weiße Welt aus Schnee. Die Ahornbäume und die Stadt weit dahinter waren mit Weiß überzogen, die Sonne brannte jetzt herunter und spiegelte sich in den Schneekristallen und brach sich in den Prismen der Glaswände des Gewächshauses. Überall waren Regenbogen.
Abgesehen vom Wetter war es in jeder Beziehung ein schlimmer Tag.
Er hatte wie gewöhnlich seine Arbeit um halb sechs Uhr morgens begonnen. Aber in dem Augenblick, in dem er sich auf dem weißen Korbsessel niedergelassen und das Klemmbrett auf sein Knie gelegt hatte, war ihm klar gewesen, dass dies der Augenblick war, in dem die Blockade endgültig eingetreten war. Er seufzte nur resigniert. Wenn er zu sich selbst ehrlich war, musste er zugeben, dass da von Anfang an eine Lethargie hinsichtlich des Projekts gewesen war. Brauchte die Welt wirklich eine weitere Geschichte des Ersten Weltkriegs? Hatten nicht Fay und Albertini, Tuchman und Falls und Liddell Hart alles gesagt, was es zu sagen gab? Er legte die Pflanze bedächtig hin, und als er das tat, wusste er, dass das Buch gestorben war.
Und jetzt starb auch noch Genevieve .
Er war so in Gedanken versunken gewesen, dass er nicht gehört hatte, wie seine Frau die Tür, die aus dem Haus ins Gewächshaus führte, geöffnet hatte. Sie berührte ihn am Arm, wie sie das immer tat, und sprach ihn auf Französisch an.
»Robert, on tu demande au téléphone.«
Er betrachtete sie einen Augenblick lang und das hoch auf ihrem Kopf aufgetürmte kastanienbraune Haar mit den vereinzelt losgelösten Strähnen, die ihr auf die Schultern fielen. Dann nickte er und ging ruhig aus dem Gewächshaus ins Wohnzimmer, über den Parkettboden, den Perserteppich und in den Eingangsflur, wo er den Hörer abnahm.
Er fühlte sich ein wenig deprimiert, der Tag war für ihn gelaufen, was konnte da sonst noch schiefgehen?
»Hallo«, sagte er auf Englisch. »Hier Robert DeClercq.«
16:55 Uhr
Er lächelte, als er dicht hinter der Eingangstür des Pub stehen blieb. Seine Augen sprangen von Tisch zu Tisch, prüften, wer süchtig war, zuckte und Stoff brauchte. Er wusste, dass ihn in diesem
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