Der Krieg Der Diebe
euch. Und ihr wollt doch nicht etwa ohne linke Hand durch den Rest eures Lebens gehen?«
»Warum bleibst du dann nicht nüchtern genug, daß du selbst was unternehmen kannst?« knurrte Mradhon.
Der Becher krachte auf den Tisch, und der Wein rann über die Platte. Moria stand auf.
In seiner Erregung stellte sich Haught in Mradhons Weg. Sein Magen verknotete sich. Er konnte nicht vergessen, daß er ein Sklave gewesen war. Die alten Reflexe. »Red nicht so mit ihr!«
Mradhon starrte ihn an. Er war breitschultrig, düster und aus dem Norden genau wie er. Und er war sein Freund - manchmal, vor Augenblicken noch, wenn nicht jetzt. Das Gefühl beschlich ihn, daß Mradhon Vis Mitleid mit ihm hatte, so wie er ihn anblickte. Und das war schlimmer als ein Schlag.
Mradhon Vis wandte ihm den Rücken zu und ging zur hinteren Ecke des Raums.
Haught legte eine Hand auf Morias Schulter, doch sie befreite sich unwirsch.
»Verteil nicht den ganzen Schmutz«, sagte Moria wütend zu Mradhons Rücken. »Sonst machst du sauber!«
Mradhon setzte sich auf das einzige Bett, auf die Decken, und zog die Stiefel aus, ohne darauf zu achten, daß sich auf dem Boden eine Lache bildete und ihr gemeinsames Bett naß und schmutzig wurde.
»Steh sofort auf!« knurrte Haught noch verärgerter.
Aber Mradhon starrte ihn nur an. Komm und tu was dagegen, sagte sein Blick. Und Haught blieb stehen.
»Jetzt hörst du mir zu!« Mradhons Stimme war tonlos. »Der Wein, den sie in sich hineingießt, kostet Geld. Und bis sie endlich mit ein bißchen Barem von Jubal ankommt, was bleibt uns da schon anderes übrig? Oder vielleicht .« Der zweite Stiefel landete neben dem ersten. »Vielleicht sollten wir allein nach Jubal suchen. Oder uns an die Stiefsöhne wenden. Sie werden knapp an Leuten.«
» Nein !« schrie Moria.
»Sie bezahlen jedenfalls. Jubal hat Geschäfte mit ihnen gemacht, oder hast du das vergessen?«
»Aber jetzt macht er keine mit ihnen. Und ihr macht keine allein! Nein !«
»Also, wann gehst du wieder hinaus? Wann wirst du endlich die Verbindung aufnehmen, eh? Vielleicht ist Jubal tot. Oder nicht an dir interessiert. Vielleicht ist er aber auch genauso abgebrannt wie wir, eh?«
»Ich werde ihn finden!«
»Weißt du, was ich anfange zu glauben? Daß es mit Jubal aus ist! Jedenfalls sind die Bettler offenbar dieser Ansicht. Es genügt ihnen nicht mehr, sich über Falkenmasken herzumachen, sie legen sich jetzt auch mit Stiefsöhnen an. Es gibt nichts, womit sie nicht fertigwerden. Sie sind von der Leine gelassen. Verstehst du? Dieser Jubal - ich werde erst etwas von ihm halten, wenn er es mit ihnen aufnimmt. An dem Tag, an dem er einen Bettler an die Brücke spießt, glaube ich, daß wirklich was in Jubal steckt. Inzwischen -inzwischen haben wir ein Dach über dem Kopf, einen Riegel vor der Tür. Und wir haben Geld. Wir sind aus Bechos Reichweite, und um es zu bleiben, brauchen wir Geld.«
»Wir sind nie aus ihrer Reichweite«, murmelte Haught. Er dachte an die Bettler, an das Lumpenpack, das in der Dunkelheit lauerte wie eine Spinne in ihrem Netz und blitzschnell hervorsprang.
Die Kälte war von Haughts nassen Sachen tiefer gedrungen. Ihn fror entsetzlich. Er nieste, wischte sich die Nase am Ärmel ab und setzte sich bedrückt an den Herd. Unbemerkt versuchte er in den Flammen zu lesen. Früher einmal hatte er das gekonnt.
Aber diese Gabe hatte ihn verlassen, mit seinem Glück, mit seiner Freiheit.
»Ich gehe morgen hinaus«, versprach Moria und trat ebenfalls an das Feuer.
»Tu’s nicht«, bat Haught. Er hatte ein ungutes Gefühl. Vielleicht war doch noch ein wenig von der Gabe in ihm. Jedenfalls empfand er die gleiche Panik wie beim Anblick der Bettler, die aus der Dunkelheit aufgetaucht waren. »Laß dich nicht von ihm dazu überreden. Es ist zu gefährlich. Wir haben genug für eine kurze Weile. Lassen wir uns lieber von diesem Jubal finden.«
»Ich werde ihn finden«, versicherte sie ihm. »Ich werde das Geld bekommen.« Aber das behauptete sie oft. Sie kehrte an den Tisch zurück, griff nach dem Becher und wischte den verschütteten Wein mit einem Lappen auf. Haught wandte ihr den Rücken zu und starrte wieder ins Feuer, auf die bewegten Flammen. Die Hitze, die ihm entgegenschlug, schmerzte ihn, aber er brauchte sie, um die Kälte aus seinen Knochen zu vertreiben. Es war besser, die Zukunft zu suchen, als sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, sich an den Hexerwall zu erinnern oder an Caronne oder an seine
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