Der Krieg der Ketzer - 2
erfüllt habe, sage ich Lebewohl und überlasse Euch wieder Euren drängenden Aufgaben, von denen Euch mein Besuch gewiss abgehalten hat. Wenn Ihr gestattet, Euer Majestät?«
»Selbstverständlich, Pater.« Grazil vollführte Gorjah die Geste, die das Gewähren eines geäußerten Wunsches bedeutete. »Ich danke Ihnen.«
»Äußerst gerne geschehen, Euer Majestät«, murmelte Makgregair, und mit einer weiteren Verbeugung zog er sich aus dem Audienzgemach zurück.
.II.
Die Galeone Segensreicher Langhorne, Markovianische See
»Guten Tag, Eure Eminenz.«
»Guten Tag, Captain Braunyng.« Erzbischof Erayk Dynnys lächelte Ellys Braunyng, den Captain der Galeone Segensreicher Langhorne, freundlich an, auch wenn in Wahrheit seine Stimmung alles andere als ›freundlich‹ war.
Das war nicht die Schuld von Captain Braunyng, und es lag auch nicht am Wetter. Auch wenn die markovianische See so rau und gefährlich sein konnte wie jedes Gewässer der Welt, vor allem im späten Frühling und im Frühsommer, war das Meer auf dieser Reise doch sehr gnädig gewesen – bislang. Das Wasser leuchtete und glitzerte tiefblau; wie eine hellblaue Halbkugel aus Kristall erstreckte sich der Himmel über ihnen, durchzogen von weißen, bauschigen Wolken, und die Sonne schien mit erstaunlicher Kraft, während der frische Nordwind, gerade kalt genug, um als ›schneidend‹ empfunden zu werden, achtern über Steuerbord peitschte.
Bedauerlicherweise musste sich Dynnys um mehr sorgen als um das Wetter.
Vor fast einem Monat hatte er den Heimathafen in der Tempel-Bucht (der auch tatsächlich genau so hieß) an Bord einer von Vikar Allayns Kurier-Galeeren verlassen, kaum dass das Eis hinreichend geschmolzen war; dann hatte er zügig die Hsing-Wu-Passage durchquert. Diese Kurierboote waren mit einer für ihre Größe erstaunlich großen Mannschaft ausgestattet, sodass die Ruderer sich regelmäßig abwechseln konnten und diese Schiffe so stets eine beachtliche Geschwindigkeit erreichten. Doch ihre flachen Rümpfe mit ihrer leichten Bauweise waren für die offene See kaum geeignet, und so war der Erzbischof vor fünf Tagen an Bord einer der langsameren, aber dafür deutlich hochseetüchtigeren Galeonen gegangen. Und das bedeutete, dass er nur noch fünf oder sechs weitere Fünftage von Tellesberg entfernt war.
Das ist noch so etwas, was diese Schwachköpfe wie Cahnyr immer vergessen, wenn sie meinen, ich solle mehr Zeit in Charis verbringen, dachte er missmutig. Für meine ›einmonatige‹ Reise durch meine Gemeinde muss ich vier Monate alleine mit der Hin- und Rückreise verbringen! Insgesamt bin ich dann ein halbes Jahr entweder in Tellesberg oder auf dem Weg zwischen Charis und dem Tempel.
Wenigstens hatte die Semaphoren-Kette entlang der Küste der Hsing-Wu-Passage es ihm ermöglicht, weiterhin in Kontakt mit dem Tempel zu bleiben, bis er schließlich auf das offene Meer hinausgefahren war. Doch das war kaum das Gleiche, wie sich persönlich um seine bischöflichen Pflichten kümmern zu können. Semaphoren-Nachrichten waren von Natur aus kurz und knapp, und es bestand stets die Gefahr, dass jeglicher Code, den man dabei verwendete, von irgendjemandem entschlüsselt wurde, der einem übel gesinnt war.
Dynnys war recht zuversichtlich, dass er sich auf Mahtaio Broun würde verlassen können: Der Oberpriester würde selbst seine knappsten Semaphoren-Botschaften korrekt verstehen, und er würde sich auch um alle anderen Belange so gut kümmern, wie das jemand nur konnte, der nicht selbst den Rang eines Bischofs innehatte – doch ganz zufrieden war Dynnys damit dennoch nicht. Gewiss hatte er den Oberpriester gut genug eingewiesen, und er zweifelte weder an Brouns Intelligenz noch an dessen Kompetenz. Doch die Einstellung des Rates Charis gegenüber hatte sich im Laufe des Winters immer weiter zugespitzt: Der Rat war noch misstrauischer und feindseliger geworden, und wenn die ›Vierer-Gruppe‹ nun zu dem Schluss kam, es werde Zeit, aktiv gegen Charis vorzugehen, dann würde das Dynnys eigene Position in der Hierarchie des Tempels drastisch schaden – mindestens. Broun war sich dessen ebenso bewusst wie jeder andere in Zion, und das bedeutete, dass jeder von Dynnys Rivalen hier eine Gelegenheit wittern mochte, den Gehilfen des Erzbischofs zum Verrat anzustiften.
Das alles mochte dazu angetan sein, zu erklären, warum Dynnys Stimmung alles andere als heiter war, trotz der steifen, belebenden Brise und der frischen Luft; schwerfällig
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