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Der Kugelfaenger

Der Kugelfaenger

Titel: Der Kugelfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. S. Rydell
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seinen, ihr Haar, ihre weiche Haut unter seinen Fingern, die Konturen ihres Gesichtes. Er kann die getrockneten Tränen auf ihrer Wange erahnen und die Wärme ihres Körpers spüren.
    Mit einem Mal klingelt das Telefon auf Evelyns Nachttisch und lässt die beiden auseinander fahren.
    „Oh Gott“, sagt Evelyn und blickt ein wenig schockiert drein. „Das ist ein blöder Fehler.“
    „Ja“, sagt Tom nur und räuspert sich und kommt sich dabei so vor, als wäre dieses Wort nicht aus seinem Mund gekommen.
    „Ich meine, das ist keine gute Idee“, sagt sie und sieht beschämt an ihm vorbei. „Es tut mir leid … ich wollte nicht … ach, scheiße.“
    Das Telefon läutet noch immer.
    „Das Telefon“, sagt Tom und kratzt sich verlegen am Kopf, weil ihm nichts Besseres einfällt.
    Evelyn sieht ihn zuerst etwas irritiert an, so als hätte sie das Telefon gar nicht gehört, doch dann zuckt es leicht um ihre Mundwinkel. „Shit!“ Sie springt auf, läuft einmal ums Bett herum und nimmt den Hörer ohne einen Gruß ab. Zuerst hört sie aufmerksam zu, dann sagt sie nur klipp und klar: „Das könnt ihr euch in den Hintern schieben“ und knallt den Hörer auf. Dann wandert sie unruhig im Zimmer auf und ab.
    „Wer war das?“, durchbricht Tom die eingetretene Stille.
    Evelyn bleibt stehen und blickt ihn an. Dann marschiert sie weiter. „Meine Agentin. Sie sagt, ich könnte hier auf der Fashion Week jetzt auch Valentinas anderen Job übernehmen. Ich habe ihr gesagt, dass sie mich mal kann.“
    Das war nicht zu überhören.
    „Ich will nach Hause“, sagt sie mit kindlich klingender Stimme und kaut an ihrem Daumennagel.
    „Ich denke, das lässt sich einrichten“, sagt er sanft.
    Er schläft bei offener Zimmertür, weil sich Evelyn noch immer unbehaglich fühlt. Sie schläft äußerst schlecht, träumt von Pistolen, herumfliegenden Kugeln, toten Menschen, Räubern und allem anderen möglichen Zeug. Im Gegensatz zu ihr, träumt Tom fast überhaupt nichts, weil er die halbe Nacht wach liegt und sich so seine eigenen Gedanken macht, die ihn auf Trab halten.
    ***
    London, 19. Juli 20-
     
    Liebe Evelyn,
     
    so wie das Fotoshooting gelaufen ist, war das wirklich nicht geplant. Es tut mir schrecklich leid, wenn ich dich gekränkt haben sollte. Aber du musst auch mich verstehen, Evelyn. Ich war ehrlich gesagt ziemlich schockiert, als du in Paris einfach nicht erschienen bist. Ja, womöglich hätte ich dich nicht sofort so angehen sollen. Ich kann verstehen, dass dir der Tod deines Onkels noch immer ziemlich nahe geht, letztendlich auch, weil es deiner Tante nicht
    besonders gut geht. Und dass auch das Modelbusiness nicht immer ein Zuckerschlecken ist, kann ich mir wirklich sehr gut vorstellen und dass du einfach eine kleine Auszeit brauchst. Wir haben die Modefotos für die neue Kollektion mit einem Mädchen namens Minni gemacht. Ich glaube du kennst sie nicht. Sie ist ein recht nettes, junges Mädchen. Die Fotos sind akzeptabel, ich denke, wir können sie verwenden, aber ich muss wirklich sagen, dass sie nicht
    an dich herankommt, Evelyn. Bei weitem nicht. Ich bin mir immer noch sicher, dass die Fotos mit dir spektakulär geworden wären. Evelyn, ich möchte, dass du weißt, dass du bei
BÄNNY B.
trotzdem nicht draußen bist. Du gehörst einfach dazu. Wann das nächste Fotoshooting stattfindet, lasse ich dich über deine Agentin wissen.
    Ich möchte mich noch einmal in aller Form bei dir entschuldigen und hoffe, du kommst trotz allem zu meiner Geburtstagsfeier. Ich würde mich freuen, wenn du deinen Bodyguard mitbringen würdest.
     
    Herzlichst,
     
    Jean P. Dupont
     
    P.S. Anbei liegen die Einladungen.
     
    Dupont knallt den Brief auf den Schreibtisch seiner Assistentin, die das Briefpapier ordentlich faltet, in ein Kuvert steckt und zuklebt.
    ***
    Evelyn verschläft den gesamten Vormittag. Erst am Mittag fühlt sie sich in der Lage, aus dem Bett aufzustehen. Tom hat den Vormittag damit verbracht, die Zeit totzuschlagen und einen Rückflug für heute Abend zu buchen. Sie sitzen den restlichen verregneten Nachmittag auf dem Sofa – jeder in seiner Ecke – und sehen sich einen unglaublich kitschigen Film mit Julia Roberts an.
    Ungefähr drei Stunden vor ihrem Abflug, ziehen sie sich an und packen ihre wenigen Habseligkeiten in einen kleinen, billigen Rucksack, den Tom am Vormittag mit dem wenigen, noch verbliebenen Geld gekauft hat.
    „Was machst du da?“ Tom blickt Evelyn fragend an, als sie mit der ganzen gesammelten

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