Der Kuss des Greifen (German Edition)
und Rune rollte sich auf die Seite, um abzunehmen. Weil sich die Nacht inzwischen vollständig herabgesenkt hatte, schaltete er die Nachttischlampe ein, die den Raum in sanftes Licht tauchte. Carling konnte die weibliche Stimme am anderen Ende deutlich hören. »Rune, ich bin gerade im Hotel angekommen und habe in dem Zimmer eingecheckt, das du für mich gebucht hast.«
»Ausgezeichnet, Seremela«, sagte er. »Komm bitte, so schnell du kannst, rauf in die Suite.« Er sah Carling mit hochgezogenen Augenbrauen an, und diese nickte.
»Ich bin in zehn Minuten da.«
Als er sich drehte, um den Hörer aufzulegen, fuhr Carling mit den Fingern die Konturen seines nackten Oberkörpers von der Schulter bis zur Hüfte nach. Er drehte sich wieder zu ihr um, und seine Gesichtszüge verzogen sich zu einem Lächeln. »Anspruch aufeinander zu erheben, ist eine Sache«, sagte sie. »Herauszufinden, wie man das Zusammensein hinkriegt, eine ganz andere.«
»Wir hatten einen starken Start«, sagte Rune. Er beugte sich über sie und stützte sich neben ihrem Kopf auf dem Ellbogen ab, um sie zu küssen. »Wir haben gelernt, einander zu vertrauen, uns zu mögen und die Gesellschaft des anderen zu genießen. Jetzt müssen wir uns nur weiterhin aufeinander verlassen, während wir darum kämpfen, ein Heilmittel für dich zu finden. Der ganze Rest, die Entscheidungen über die nächsten Schritte in unserem Leben – all das kann warten.«
Carling starrte zu ihm hinauf. Der Gedanke daran, was er alles für sie aufgab, schmerzte sie. Langsam sagte sie: »Wenn wir tatsächlich ein wirksames Heilmittel finden, werde ich vielleicht wieder menschlich. In diesem Fall werde ich sehr bald sterben, vielleicht in fünfzig Jahren oder so.« Nach der ungeheuerlich langen Zeit, die sie durchlebt hatte, erschienen ihr fünfzig Jahre wie ein Wimpernschlag.
»Diese fünfzig Jahre würden mir alles bedeuten«, erwiderte er flüsternd. In seinen lächelnden Augen lag kein Zaudern. Sie waren klar und ruhig und ließen sie direkt auf den Grund seiner Seele blicken.
Er meinte es wirklich ernst, das konnte sie sehen. Er ging tatsächlich eine Paarung mit ihr ein, er verpflichtete sich ihr. Er hielt nichts zurück, machte keine Einschränkungen und heuchelte nicht. Er würde ihr Leben mit ihr leben und ihren Tod mit ihr sterben. Wieder wurde sie von Panik überwältigt, tiefer und heftiger als zuvor. Aber nicht ihretwegen, sondern seinetwegen.
Sie hatte Einschränkungen gemacht und geheuchelt. Kämpf um dein Überleben, hatte er gesagt, aber selbst während sie das tat, bereitete sie sich auf das Sterben vor, regelte ihre Angelegenheiten, nahm Abschied und wappnete sich für das Ende.
Jetzt nicht mehr, bei allen heiligen Göttern. Sie musste mit allem, was sie in sich hatte, ums Überleben kämpfen, denn jetzt ging es nicht mehr nur um sie. Es ging um sie beide. Fest packte sie ihn am Handgelenk. »Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
»Dann sollten wir in die Gänge kommen«, sagte er. Geschmeidig rollte er sich aus dem Bett und kam auf die Füße. Sie setzte sich langsamer auf und sah ihm zu, wie er die Kleidungsstücke vom Boden aufsammelte. Seine Haare waren zerzauster denn je, und sein muskulöser Körper trug Kratz- und Bissspuren, die vor ihren Augen verblassten. Als sie auf seinen Hals starrte, loderte das schwelende Feuer der Leidenschaft in ihrem Körper erneut auf. Er beugte sich über sie, um ihre Jeans, das T-Shirt und die Unterwäsche neben ihr aufs Bett zu legen, und sie streckte die Hand nach der Bisswunde aus.
Sie spürte, wie der Atem aus seinem Körper wich. Unter gesenkten Lidern sah er sie funkelnd an. »Benimm dich.«
»Möchtest du das wirklich?«, fragte sie freundlich.
Seine Miene nahm einen sengenden Ausdruck an. »In gut fünf Minuten wird Seremela hier sein.«
Carling blickte zu ihm auf und umfasste sein steifes Glied. Mit dem Daumen rieb sie über die breite Spitze seiner Erektion. Er bleckte die Zähne. Er sah wild und großartig aus, absolut unmenschlich – und als wäre er kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Ihr Götter, wie sie diesen Mann liebte. »Dann müssen wir uns nur merken, wo wir aufgehört haben«, flüsterte sie.
»Verdammt noch eins, Frau«, brachte er zwischen den Zähnen hervor. Er packte ihr Handgelenk, zog ihre Hand jedoch nicht weg. Ein Muskel in seinem Oberarm begann zu zucken, so rigide musste er sich beherrschen.
Sie beugte sich zur Seite, um den Muskel zu küssen. Es kam ihr vor, als wäre
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