Der Kuss des Lustdämons
tiefer in das Dunkel des Flurs.
„Was ist los?“, flüsterte sie. Kopfschüttelnd legte er ihr eine Hand auf den Mund. Celice fühlte, wie er sie fester an seine Brust presste. Wie hatte sie das vermisst. Aber trotzdem war hier irgendwas faul.
„Mensch, Henry, hier steckste!“ Eine Hand legte sich auf seine Schulter. Henry ließ Celice los und drehte sich zur Eisentür. Ein Mann mit hochgestylten wasserstoffblonden Haaren trat ins Halbdunkel. Er hatte einen Körperbau wie ein Bodybuilder und war in ein weißes Achselshirt und Jeans gekleidet. Auf seinen Oberarmen prangten Tribaltatoos. Henry atmete tief durch.
„Leon, was machst du denn hier? Solltest du nicht schon auf dem Weg nach Hamburg sein?“
Der Typ schob seine Sonnenbrille hoch und lachte breit. „Termin wurde verschoben. Mann, Alter, dein Telefon läuft Sturm. Und Jeanine hat mich ooch schon anjerufen woste steckst. Die war vollkommen aus dem Häuschen.“
„Wieso das denn?“
„Guck mich nich an wie bestellt und nich abjeholt. Keen blassen Dunst wat die wieder hat. Vielleicht is ihr ja nen Nagel abjebrochen und du sollst ihn ankleben helfen.“
Henry lachte unterdrückt auf. Celice linste hinter ihm hervor.
„Hey hallo, Celice. Sieht man dich ooch mal wieder. Du wurdest schon vermisst.“ Schmunzelnd sah er seinen besten Freund an.
Celice verzog die Lippen zu einem Lächeln. Der Kerl brauchte gar nicht so freundlich tun. Leon war zwar Henrys engster Kumpel, aber er ließ sie oft merken, dass er sie nicht leiden konnte.
„Nicht so laut, Leon!“, zischte Henry.
„Wat flüsterste denn? Haste Jeheimnisse oder wat?“
Henry deutete mit seinem Daumen Richtung Fahrstuhl. „Wat is los?“ Leon lugte an seinem Freund vorbei.
„Henry!“ Jeanines schrille Stimme ließ alle drei zusammenzucken.
„Scheiße! Danke, Leon!“ Henry runzelte ärgerlich die Stirn.
„Mensch, ick wusste doch nich, dassde auffe Flucht bis’. Dicket sorry.“
Henry schob Celice hinter sich. Leon trat geistesgegenwärtig neben ihn.
„Henry!“ Jeanine fiel ihm lachend um den Hals. „Mein Gott, ich hätte nie gedacht ...“ Sie löste sich von ihm und rückte ihre schmale Brille zurecht. Ihr Lächeln ließ den Blick auf funkelnd gebleichte Zähne frei. Henry sah sie fragend an. „Ja! Ich nehme den Heiratsantrag an!“ Sie fiel ihm erneut um den Hals und küsste ihn wild.
Henry wurde steif wie ein Brett.
Im ersten Moment herrschte Schweigen, nur Jeanines tränenreiches Wimmern an seiner Schulter war zu hören. Celice starrte nach oben. Was zum Teufel ging hier vor? Sie hatte das Gefühl, als ob ihr Herz in Zeitlupentempo von einer Lanze durchbohrt wurde. In ihrem Magen begann es heftig zu rumoren. Das durfte nicht wahr sein!
„Ähm, na dann sag ick mal herzlichen Jlückwunsch, oder so.“ Leon schien seinen besten Freund mit Blicken zu fragen, ob er noch ganz dicht war. Henry löste sich von Jeanine, die ihm stolz die linke Hand mit dem edlen Metall zeigte. Entsetzt fixierte er den Ring mit dem kleinen Herz.
„So einen wunderschönen Verlobungsring habe ich mir schon immer gewünscht. Leider ist er ein wenig zu groß. Aber die Überraschung ist dir echt gelungen.“
Celice fühlte sich, als hätte man ihr einen Hammer auf den Kopf geschlagen. Henry ballte die Hände zu Fäusten und wandte sein Gesicht ab.
„Was ist denn, Schatz? Warum sagst du nichts?“
Wortlos drehte er sich um. Celice spürte den Luftzug, als er an ihr vorbeirauschte. Jeanine ließ die Hand überrascht sinken.
„Henry? Henry? Was ist los? Warte doch!“ Die Stahltür krachte und verschluckte Jeanines zeternde Stimme.
„Wat war dit denn für ne Nummer?“ Leon blickte den beiden nach. „Also jetzt kapier ick jar nüscht mehr.“ Er sah zu Celice, die zu Boden starrte. „Ick weeß nich wat da schiefjelaufen is, aber so war dit nich jeplant.“ Leon fuhr sich über den Hinterkopf. Celice wusste, sie hatte Henry mit ihrer Racheaktion in Jeanines Arme zurückgestoßen. Nun konnte ihr keiner mehr helfen.
„Ich möchte jetzt ein wenig allein sein. Bitte.“
Leon nickte. Dann erhob er sich und ging ebenfalls in Richtung Treppenhaus. Vor der Tür drehte er sich noch einmal um.
„Celice?“
„Ja?“ Sie blickte nicht auf.
„Ick weeß, wir beede hatten nie nen jutet Verhältnis miteinander. Ick war immer der Meinung, dassde die falsche Frau für Henry bis und seinem Glück nur im Wech stehst. Ick hab nie verstanden, warum er immer wieder zu dir
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