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DER KUSS DES MAGIERS

DER KUSS DES MAGIERS

Titel: DER KUSS DES MAGIERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S. Landauer
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Die Antwort kam so schnell und selbstverständlich, als wäre alles andere völlig undenkbar. Es klang, als ob ihre Mom immer noch an Sinas Vater hing, und das nach all den Jahren. Sina öffnete den Mund, um nachzufragen, schloss ihn dann jedoch wieder. Der Abend war zu schön, um ihn mit solchen Erinnerungen zu belasten.
    „Na, jedenfalls bin ich froh, dass du das mit den Hosenträgern rechtzeitig herausgefunden hast“, sagte sie und lenkte das Gespräch geschickt wieder auf Mr. Snyder. Die ausgelassene Stimmung ließ sich jedoch nicht so leicht wieder herstellen, und nach einer Weile fielen Sina die Augen zu.
    Wie von tausend Teufeln gejagt, rannte Sina auf den Salzsee zu, den Glasdolch hoch erhoben in der Hand. Doch das Grauen lag vor ihr – und sie kam zu spät, das sah sie schon von Weitem. Wie beim letzten Mal lehnte Les erschöpft an einer der Steinsäulen, doch jetzt stand jemand neben ihm. Etwas. Sina musste würgen. Dieses Ding hatte bis auf die grobschlächtige Gestalt, bei der sich Kopf und Gliedmaßen in etwa an den richtigen Stellen befanden, nichts Menschliches an sich. Es schien keine Haut zu haben, rohes Fleisch saß auf den Knochen. Finger und Zehen waren grotesk lang und endeten in krallenartigen Nägeln. Sina war trotz allem froh, dass sie es nur von hinten sah, denn schon der Hinterkopf war entsetzlich anzuschauen. Völlig kahl, von wulstigem Fleisch bedeckt, erhob er sich übergangslos auf den Schultern.
    Sina war schwer atmend stehen geblieben, sie war unfähig, sich zu rühren. Kraftlos ließ sie die Hand sinken. Erst im letzten Moment umklammerte sie den Dolch fester, damit er ihr nicht entglitt. Doch es war völlig undenkbar, dass sie hier etwas ausrichten konnte. Zumal das Ding sich ebenfalls nicht bewegte, sondern reglos neben Les stand, der die Augen geschlossen hielt, als biete er sich als Opfer dar.
    Wusste er denn nicht, in welcher Gefahr er schwebte?
    Steh auf. Lauf weg!, dachte sie fieberhaft. Es laut zu sagen wagte sie nicht. Was, wenn das Ding sich dann ihr zuwandte?
    Es kam keine Antwort, Les regte sich nicht.
    Das Ding streckte eine dieser scheußlichen Klauen aus und fuhr Les mit einem der überlangen, schwarzen Fingernägel unterm Kinn entlang. Es sah aus wie eine Liebkosung, auch wenn der Anblick fast zu viel für Sina war.
    Les öffnete den Mund. Im ersten Moment glaubte Sina, sie wäre taub geworden, denn sie hörte den Schrei nicht. Erst ein paar Sekunden später wurde ihr klar, dass Les gar nicht schrie, sondern offenbar reflexartig auf die Berührung reagierte.
    Zitternd vor Ekel, musste sie mit ansehen, wie das Ding Les einen der spinnengleichen Finger in den Mund steckte. Tiefer und immer tiefer.
    Les rührte sich nicht, nur einmal sah sie, wie sein Adamsapfel sich bewegte, als würde Les krampfhaft schlucken. Ein zweiter Finger folgte, ein dritter … Kurz darauf steckte schon die ganze Hand des Dings in Les’ Mund.
    Sina würgte an bitterem Magensaft, war jedoch bemüht, jedes Geräusch zu unterdrücken. Immer tiefer versenkte das Ding seine Hand in Les, der schluckte und schluckte. Der Ellenbogen verschwand in seinem Mund, dann der Oberarm.
    Und mit einem Mal blickte das Ding sich um, sah über die Schulter und starrte sie an, als hätte es schon die ganze Zeit gewusst, dass Sina dort stand und zuschaute.
    Der Anblick war noch schlimmer, als sie erwartet hatte. Inmitten der rohen Fleischwülste funkelten Reptilienaugen, der lippenlose Mund wurde von zwei überlangen Fangzähnen beherrscht. Auf der Stirn prangte ein einzelnes, kurzes, messerscharf geschliffenes Horn.
    Ein triumphierendes Aufblitzen in den Augen, den Kopf noch immer Sina zugewandt, stopfte das Ding Les ruckartig die Schulter in den weit aufgerissenen Mund. Es würde nicht mehr lange dauern, und es würde völlig in ihm verschwinden.
    Sina dachte an die schlangengleichen Bewegungen unter seiner Haut. Dachte an die unmenschliche Fratze, in die sich sein Gesicht verwandelt hatte …
    „Neiiiiiiiin!“, brach es aus ihr heraus. Sie hob den Dolch und stürzte sich todesmutig auf das Etwas.
    Damit hatte es offenbar nicht gerechnet, außerdem war es im Moment nicht sehr beweglich. Sina konnte es fast selbst nicht glauben, als der Dolch auf einen kurzen Widerstand traf und dann tief in dem Ding versank. Erschrocken ließ sie ihn los. Aber sie hatte ihre ganze Kraft und Verzweiflung in den Angriff gelegt, hatte viel zu viel Schwung und prallte hinter der grauenvollen Gestalt gegen die

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