Der Kuss des Meeres
meinem Plan, lächele ich, während ich mir einen Stuhl an den Tisch ziehe. Mom hat heute wieder ein Reste-Omelett für mich gemacht und diesmal esse ich es auf. Ich bitte sogar um Nachschlag. Sie stellt ein Glas Milch für uns beide auf den Tisch. Das ich versehentlich ganz allein leer schlürfe. Ich werfe nicht einmal einen Blick auf Dads Platz. Oder Chloes.
» Du musst dich wirklich besser fühlen«, bemerkt Mom. » Aber ich wünschte, du würdest trotzdem noch einen Tag länger zu Hause bleiben. Wir könnten einen Mädelstag machen, du und ich. Uns ein paar Frauenfilme ausleihen, Schokolade essen und Cola Light trinken, ein bisschen Kleinstadttratsch austauschen. Was meinst du?«
Ich lache, und mein Kopf fängt an zu pochen, als würde mein Gehirn versuchen, sich zu verdünnisieren. Wenn sie das so sagt, klingt es verführerisch, zu Hause zu bleiben, und zwar nicht nur wegen der Schokolade. Eigentlich ist es schon witzig genug, Mom dabei zuzusehen, wie sie versucht, auf Mädchen zu machen. Unser letzter Mädelstag hat mit einer Pediküre begonnen und mit einer Monstertruck-Rallye geendet. Das ist fünf Jahre her. Genau wie ihre letzte Pediküre.
Trotzdem. Ich habe bereits entschieden, dass heute der Rest meines normalen Lebens beginnt. Eine warme Decke und zwei Liter Eiscreme auf der Couch hätten was von einem Rückzieher. Und noch eine Monstertruck-Rallye brauche ich ungefähr so dringend wie ein drittes Nasenloch. Ich nehme mein Geschirr und bringe es zur Spüle. Dann sage ich: » Ich will tatsächlich zur Schule gehen. Tapetenwechsel, du weißt schon. Vielleicht ein andermal?«
Sie lächelt, aber ich weiß, dass es nicht echt ist, weil sich um ihre Augen keine Fältchen bilden. » Sicher. Ein andermal.«
Ich nicke und angele mir meinen Autoschlüssel. Doch noch bevor ich das Licht in der Garage anknipsen kann, ist sie hinter mir und zerrt an meinem Rucksack.
» Du willst in die Schule? Schön. Aber du wirst nicht fahren. Gib mir den Schlüssel.«
» Mir geht es gut, Mom, wirklich. Wir sehen uns heute Abend.« Ich drücke ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wende mich wieder der Tür zur Garage zu.
» Netter Versuch. Gib ihn mir.« Sie streckt die Hand aus.
Mit geballter Faust umklammere ich den Schlüssel. » Am Montag hast du mir das Auto noch aufgedrängt und jetzt nimmst du mir den Schlüssel weg. Was habe ich getan?«
» Was du getan hast? Na ja, du hast die Cafeteriatür mit deinem Gesicht ausgebremst.« Klopfender Fuß, check. Wütende Augenbrauen, check. Ich-krieg-gleich-Stubenarrest -Ton, check, check, check. Alle Anzeichen, dass ich in Schwierigkeiten stecke, sind da. Und ich weiß nicht, warum.
» Ähm, ich habe doch gesagt, dass ich mich besser fühle. Dr. Morton sagt, wenn es mir besser geht, kann ich wieder alltägliche Dinge tun. Und ich komme gleich zu spät zur Schule.« Dr. Morton hatte nichts dergleichen gesagt. Aber weil er der beste Freund meines Dads war, hat er gewartet, bis Mom den Raum verlassen hat, um mir zu erklären, dass ich wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung habe. Er weiß, wie zwanghaft sie sein kann. Sie hat eine schriftliche Erklärung für meine Schulakte abgegeben, damit ich im Notfall nicht mit dem Krankenwagen abgeholt werde, weil Dr. Mortons Praxis gleich auf der anderen Seite der Straße ist.
» Schule, hm? Bist du dir sicher, dass du da hingehst?« Ihre Hand ist immer noch ausgestreckt und wartet auf den Schlüssel, den ich nicht herausrücke. Nach einigen Sekunden des Schweigens verschränkt sie die Arme vor der Brust.
» Wohin sollte ich denn bitte sonst mit meinem Rucksack und meinen Büchern gehen?«
» Oh, ich weiß nicht. Vielleicht zu Galen Forza?«
Yep, das habe ich nicht kommen sehen. Sonst hätte ich vielleicht die Röte stoppen können, die mir jetzt in die Wangen schießt. » Ähm. Woher weißt du von Galen?«
» Mrs Strickland hat mir von ihm erzählt. Sie sagte, du hättest dich mit ihm im Flur gestritten und dass du aufgebracht warst, als du vor ihm weggelaufen bist. Sie sagte, er hätte dich ins Büro getragen, nachdem du gegen die Tür gerannt bist.«
Wusste ich’s doch , dass er etwas mit meinem Unfall zu tun hatte. Und Mom hat mit der Direktorin darüber gesprochen. Meine Lippen werden so trocken, dass ich erwarte, Staub zu schmecken, als ich darüberlecke. Die Röte breitet sich auf meinem ganzen Körper aus, bis zu den Ohren. » Er hat mich getragen? «
» Sie hat gesagt, Galen sei dir nicht von der Seite gewichen,
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