Der Kuss des Wolfes: Roman (German Edition)
gerne einen Magierkönig hättet«, erwiderte Morganen trocken. »Dann würde nämlich ich als mächtigster Magier auf der Insel über euch alle herrschen, und darauf lege ich nicht den geringsten Wert.«
»Jeder, der hierherkommt, wird damit rechnen, einen Magierkönig oder eine Magierkönigin vorzufinden«, gab Evanor zu bedenken. »Er wird auch erwarten, dass es sich dabei um den mächtigsten Magier des Inselrates handelt.«
»Aber ich gedenke nicht, dieses Amt zu übernehmen«, wiederholte Morganen, dabei hob er abwehrend die Hände.
»Ich auch nicht«, gab Rydan offen zu, wodurch er die anderen wieder an seine Gegenwart erinnerte. Er ließ den Blick über seine Brüder hinwegschweifen und fügte dann hinzu: »Und ich würde noch weniger Wert darauf legen, unter Dominors Herrschaft leben zu müssen.«
»Entschuldigt, aber was ist, wenn die Leute, die hierherziehen, gar keinen Magierkönig wollen?«, unterbrach Kelly. »Wenn sie das wollten, könnten sie ja gleich in Katan bleiben, denn das ist nicht die Regierungsform, die ich mir für diese Insel vorstelle.«
Saber schickte sich an, etwas zu sagen, hielt inne, leckte sich über die Lippen und wandte sich an seine Frau. »Was genau stellst du dir denn vor? Du stammst aus einer Welt, in der Magie nicht existiert. Wie wählt denn dein Volk seinen Herrscher?«
»Da gibt es Dutzende verschiedener Möglichkeiten; die Welt, aus der ich komme, setzt sich aus Hunderten einzelner Nationen zusammen«, klärte Kelly ihn auf. »Meine Heimat war zum Beispiel eine demokratische Republik.«
»Eine was?«, fragte Koranen. Er war nicht der Einzige, der verwirrt die Stirn runzelte. Dass der Vielsprachenzauber allen, die ihn getrunken hatten, gesprochene und geschriebene Worte übersetzte, hieß noch lange nicht, dass er auch bestimmte kulturelle Begriffe vorstellbar umsetzen konnte. Kelly sprach zwar Katanisch, aber das änderte nichts daran, dass sie aus einer völlig anderen Welt stammte.
»Eine repräsentative Regierung«, erklärte sie so knapp und verständlich wie möglich. »Jeder Erwachsene über achtzehn hat das Recht, eine kommunale Regierung zu wählen, die ihre Region dann in der Landesregierung vertritt. In einer Demokratie hat jeder ein Wahlrecht, und in einer Republik werden die Leute von Volksvertretern regiert. In einer demokratischen Republik wählt das Volk diese Vertreter.«
Den skeptischen, zweifelnden und glattweg verständnislosen Gesichtern ringsum entnahm sie, dass sie damit nicht durchkommen würde. Kein Wunder , dachte sie. Nur wenn Menschen eine Demokratie wirklich wollen , kann eine demokratische Republik funktionieren. Man muss den festen Willen dazu haben, sonst scheitert man. Sie beschloss, ein wenig von ihren Vorstellungen abzuweichen.
»Nun, aus eurem Gesichtsausdruck schließe ich, dass das eine zu radikale Idee ist. Und sie lässt sich nur umsetzen, wenn jeder davon überzeugt ist. Aber mir schwebt eine Variation dieser Idee vor, und eine Variation dessen, was ihr bereits kennt: eine konstitutionelle Monarchie.«
»Was für eine Monarchie?«, erkundigte sich Trevan.
»Eine konstitutionelle Monarchie«, wiederholte Kelly. »In einer Konstitution werden bestimmte unverletzbare Rechte für alle Bürger festgehalten. Das heißt, es gibt eine Satzung, in der Regeln und Gesetze aufgeführt sind, an die sich auch der König oder die Königin halten müssen, und dann gibt es Regionalvertreter, die dem König die Klagen und Wünsche der Bevölkerung vortragen. Der Monarch hat für gewöhnlich in allen Dingen das letzte Wort, es sei denn, ein großer Prozentsatz der Vertreter entscheidet anders. Wie hoch dieser Prozentsatz sein muss, wird gleichfalls in der Konstitution festgehalten. Eine solche Regierungsform ist so stabil wie eine souveräne Monarchie, lässt dem Volk aber mehr Rechte.
Schließlich regiert ein Herrscher nur nach dem Willen des Volkes«, betonte sie. »Und das Beste ist – diese Regierungsform kann sofort eingeführt werden. Alle Bewohner dieser Insel haben bei allen Entscheidungen ein Mitspracherecht – ihr fungiert als meine Berater – aber wie gesagt, das letzte Wort hat der Monarch. Da ihr ohnehin wisst, dass ich auf eure Ratschläge höre, ändert sich im Grunde genommen nicht viel«, fuhr Kelly fort. »Und wenn genug Menschen hier leben, können sie Bürgermeister oder Distriktvertreter wählen und mittels eines Beraterkabinetts Einfluss auf den Herrscher nehmen.«
»Funktioniert das wirklich?«, erkundigte sich
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