Der Kuss des Zeitreisenden (German Edition)

entfernen, dann stieß er ein Feuer in ihre Richtung aus, das gerade heiß genug war, um den Schnee auf ihr zu schmelzen, ohne ihr die Flügel zu versengen.
    Jetzt bist du dran , bot sie ihm an. Ihre geistige Stimme klang jedoch müde.
    Sie tauschten die Plätze, aber als sie versuchte, ihm denselben Gefallen zu erweisen, konnte sie kein Feuer speien. Mir geht das Platin aus , gab sie zu.
    Das war gar nicht gut. Drachen benutzten Platin und Wasserstoff als Energiequellen für ihren Körper. Sie hatten den größten Teil ihrer Vorräte auf der Suche nach dem Schlüssel verbraucht. Jedes Mal, wenn sie Feuer gespien hatte, hatte sie auch gewaltige Mengen an Energie verbrannt. Schon für das Warmhalten des eigenen Körpers war viel Brennstoff nötig – vom Anfliegen gegen den Sturm erst gar nicht zu reden. Während er Energie aus dem Stab ziehen konnte, war sie vielleicht nicht mehr in der Lage, zur Draco zurückzukehren, falls ihr Platinpegel zu sehr sank.
    Er lenkte zusätzliche Muskelkraft in seine schweren Schwingen – und seine Ängste um ihre Sicherheit stiegen ins Unermessliche. Eis und Schnee zerrten an ihm: Es wäre ihm nicht möglich gewesen, auch noch sie zu tragen.
    Nun kam alles auf den richtigen Zeitpunkt an. Sie mussten zwar genauso schnell fliegen wie die Draco , aber sie hatten keine Instrumente dafür. Ihnen blieben nur ihre scharfen Augen, ihre müden Schwingen und die winzige Luftschleuse als Ziel. Und ein Schiff, das für einen zweiten Versuch vermutlich nicht genug Energie hatte.
    Als sie die Planetenstürme endlich hinter sich gelassen hatten, flogen sie höher hinauf in die dünne Atmosphäre. Der Wind ließ nach, aber die Temperatur fiel. Jordan stieß mit dem einen Knöchel gegen den anderen, an dem sich der Kommunikator befand, und gab dem Schiff ein Signal.
    Ich sehe die Draco nicht . Erschöpfung und Schmerz drangen durch ihre Gedanken.
    Sie wird bald hier sein. Du gehst zuerst , befahl er. Als sie nicht einmal etwas dagegen einwandte, nahm seine Besorgnis noch weiter zu. Versuch nicht, genauso schnell wie die Draco zu fliegen. Flieg vor ihr her und ein wenig höher. Ich gebe dir ein Zeichen, wenn du dich verwandeln sollst. Dann packst du den Hebel der Luftschleuse und ziehst dich hinein .
    Das Schiff – ein winziger Fleck am Horizont – näherte sich mit verblüffender Geschwindigkeit. Da sind sie. Flieg näher heran. Noch näher .
    Sie bewegte ihre Schwingen unregelmäßig und schien nun eindeutig am Ende ihrer Kräfte zu sein.
    Er versuchte sie zu ermuntern. Das sieht gut aus. Warte jetzt auf das Schiff. Warte. Warte . Die Schleuse öffnete sich. Jetzt .
    Sie verwandelte sich wieder in einen Menschen, streckte die Arme aus und hielt sich am Boden der offenen Luftschleuse fest. Und schwankte. Sie trat aus. Aber der Wind zerrte an ihr und sie hatte nicht genug Kraft in den Armen, um sich nach drinnen zu ziehen.
    Niemand hätte sich länger als ein paar Sekunden an der Luftschleuse festhalten können. Jordan verwandelte sich ebenfalls. Mit der einen Hand verkrallte er sich in der Luftschleuse, mit der anderen drückte er Vivianne nach innen.
    Dann zerrte der Wind an ihm, er konnte sich nicht mit einer Hand hineinziehen, und mit der anderen fand er nirgendwo Halt.
    Vi drehte sich um und stemmte die Füße gegen den Boden zu beiden Seiten der Luke. Dann streckte sie die Hände nach ihm aus. »Ich hab dich.«
    Er musste seinen Halt aufgeben. Musste ihr vollkommen vertrauen. Er erinnerte sich daran, wie erschöpft sie war. Aber er sah auch die Entschlossenheit in ihrem Gesicht und ließ das Schiff los.
    Für den Bruchteil einer Sekunde glitt er nach hinten. Dann packte sie ihn bei den Händen und zog ihn so heftig nach drinnen, dass er auf ihr landete. Er griff nach oben und zog den Hebel zum Verriegeln der Außenluke nach unten.
    »Das hat Spaß gemacht«, keuchte sie.
    »Du hättest uns beide beinahe umgebracht«, murmelte er und schenkte ihren wunderschönen Augen einen finsteren Blick.
    »Ich habe dir gerade das Leben gerettet …«
    »Das nur deshalb in Gefahr war, weil ich dich erst hineinschieben musste.«
    »Du hättest das nicht tun müssen, wenn ich mir nicht den Arm bei dem Versuch ausgekugelt hätte, dich vor diesem Felsbrocken zu retten.«
    »Ich wäre ihm aus dem Weg gegangen. Du hättest nicht …«
    »Ist gut.« Sie schob ihn von sich herunter. »Du bekommst alles allein hin. Du kannst durch Hurrikane fliegen. Du kannst den Schlüssel und den Gral finden. Und weißt du was?