Der Lächler
Geldbörse.
Ich stellte dabei fest, daß ich von meinem Cognac so gut wie nichts getrunken hatte. Das holte ich nach. Die CD war abgelaufen. Dafür hörte ich die Musik aus der ersten Etage, wo Jane ihre Wohnung hatte.
Traummelodien, Liebeslieder, wie immer man es nennen wollte.
Jedenfalls das Richtige für eine Stunde zu zweit oder auch länger. Ich stellte das Glas ab.
Zum Teufel mit Onopko, dachte ich. Das Leben besteht nicht nur aus der Jagd nach Dämonen oder Psycho-Killern. Es hat auch etwas anderes zu bieten, und dieses andere hielt sich eine Etage höher auf. Auch ich erhob mich, blies die Kerzen aus und machte mich auf den Weg. Der Rest ist reine Privatsache…
***
»O je«, sagte Suko am anderen Morgen, als er mich im Büro sah, denn ich war von Janes Wohnung aus direkt ins Büro gefahren. »Wie siehst du denn aus?«
»Was meinst du damit?«
»Schau mal in den Spiegel.« Ich nahm hinter dem Schreibtisch Platz.
»Und?«
»Hast du die Ringe unter deinen Augen nicht gesehen, oder hast du dich erst gar nicht getraut, in den Spiegel zu schauen? Sei froh, daß Glenda heute einen freien Tag hat. Der wärst du sicherlich ins offene Messer gelaufen.«
»Bin ich dir das nicht auch?«
Er hob beide Arme. »Ich kann schweigen.«
»Ist auch gut«, brummelte ich und holte den kleinen Zettel wieder hervor.
Im Prinzip hatte Suko recht. Ich sah auch ziemlich verhauen aus, was nicht nur an mir lag, sondern auch an Jane Collins. Wir hatten wirklich eine Nacht hinter uns, in der Himmel und Hölle zusammengetroffen waren. Erst in den frühen Morgenstunden waren wir im Fegefeuer eingeschlafen.
Jane hatte es tatsächlich geschafft, mich Wladimirs Anruf vergessen zu lassen. Sie war in der Form ihres Lebens gewesen und hatte auch mich zu wahren Höchstleistungen angespornt. Es lag auf der Hand, daß davon etwas sichtbar zurückblieb, wie Suko ja mit seinen eigenen Worten so treffend ausgedrückt hatte.
Das Thema war für ihn erledigt, denn neugierig schaute er auf den kleinen Zettel, den ich noch einmal mit dem Finger geglättet hatte. Ich wollte ihm eine Erklärung geben, aber das Klopfen an der Tür des Vorzimmers erreichte auch unsere Ohren, und kurz danach betrat ein junger Mann das Büro und schwenkte das dünne Papier aus einem Fax.
»Für Sie, Mr. Sinclair.«
»Danke.«
»Soll ich auf eine Antwort warten?«
»Nein, Sie können gehen.«
»Danke. Und schönes Wochenende noch.«
»Wie?«
»Wir haben heute Freitag«, erinnerte mich Suko. »Hatte ich schon vergessen.«
»Ja, man wird alt.«
Ich ließ mich nicht mehr ablenken, sondern beschäftigte mich mit dem kurzen Text und machte ein langes Gesicht. Das Fax hatte mir Wladimir Golenkow geschickt, und er teilte mir darin mit, daß er nicht in London erscheinen konnte, zumindest vorerst nicht, da man ihn wegen der Ermittlungen der drei Morde brauchte. Er wußte auch nicht, wann er sich loseisen konnte, wollte mir aber Bescheid geben.
»Man sieht dir an, daß du dich ärgerst«, sagte Suko.
»Stimmt.«
»Was ist denn?«
»Lies selbst.« Ich reichte ihm das flatternde Stück Papier rüber, zündete mir eine Zigarette an und bekam von Suko einen mißbilligenden Blick zugeworfen.
Das war kein guter Anfang vom Wochenende. Nicht daß ich mich über den Text sehr ärgerte, ich hätte Wladimir schon allein wegen seines Wissens gern bei mir gehabt, aber das war nun nicht mehr möglich. So mußten wir zusehen, daß wir ohne ihn zurechtkamen.
Suko legte das Fax weg. »Es läuft nicht alles glatt im Leben, Alter. Also klemmen wir uns dahinter. Was hast du denn da auf dem Zettel notiert? Und was hat dir Wladimir erzählt, nachdem ich ihm erklärt habe, wo er dich finden kann.«
»Es ist ein Hammer, Suko. Eine Sache, die unter die Haut geht.«
»Ich höre.«
Das tat er wirklich. Er war die gespannte Aufmerksamkeit, und seine etwas aufgesetzte Lockerheit an diesem Morgen verschwand ebenfalls aus seinen Zügen.
Später stand er auf und trat ans Fenster, um in einen Himmel zu schauen, der von einer beinahe schon widerlich strahlenden Bläue war.
Keine Wolke zeigte sich, die Sonne wärmte.
»Was sagst du?«
»Nichts, John.«
»Glaubst du es?«
»Natürlich. Ich frage mich nur, ob er es tatsächlich schafft, so einfach nach London zu kommen.«
»Der schafft es, Suko, der bestimmt. Vergiß nicht, daß er anders denkt als ein Mensch. Er hat das Gehirn eines Dämons, was ich auch durchaus glaube. Da wird uns Wladimir keinen Bären aufgebunden haben. Wichtig sind
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