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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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erreicht, was ich wollte. Obwohl der alte Mann noch einige kleinere Reparaturarbeiten an Häusern angeboten bekam, drängte es ihn weiterzuziehen.
    »Die kleinen Arbeiten halten uns zwar über Wasser«, sagte er, »aber sie bringen uns nicht recht weiter. Wir brauchten einen großen Auftrag oder gar keinen mehr.«
    Darüber kam es zum Streit zwischen ihm und den Zimmerleuten. Hugo Labus machte dem alten Mann Vorwürfe und sprach aus, was viele dachten, nämlich, dass es keiner verstehen könnte, warum er vor der Arbeit ausreiße und aufs Geratewohl in den Winter ziehen wolle. »Kleinvieh macht auch Mist«, sagte Lenski. Aber der alte Mann blieb starrköpfig.
    »Ich will in Richtung Memphis«, beharrte er. Keiner wusste, dass in dem letzten Brief seiner Frau etwas gestanden hatte, was ihm keine Zeit für die Kleckerarbeiten in Alice-Springs ließ. Er wurde jedes Mal unruhig, wenn ihm einfiel, was seine Frau über den Altgesellen Zattric berichtet hatte, der damals in Liebenberg zurückgeblieben war. In ihrer winzig kleinen Schrift hatte Hedwig Bienmann geschrieben: »Und alles deutet darauf hin, dass der Krieg bald zu Ende ist. Er hat seiner Frau geschrieben, wenn er erst aus dem Feindesland zurückkehrt, will er in unserem Dorf eine eigene Zimmerei auf­machen. Und die alte Zattric streut herum, dass er sich sogar eine Dampfsäge zulegen will. Aber Genaueres weiß niemand.«
    »Ich gehe nach Memphis«, das war die einzige Antwort, die der alte Mann auf alle Vorhaltungen gab. Schließlich beschlossen der Zimmergeselle Hugo Labus und der Holzarbeiter Pilar zunächst in Alice-Springs zu bleiben.
    »Arbeit für mindestens ein Jahr«, sagte Hugo Labus.
    Am Tage vor der Abreise bat der Pfarrer den alten Mann in sein Haus, bewirtete ihn mit einem guten Whisky aus seinem eigenen Keller und mit einer dicken Virginia-Zigarre. »Ich wollte Ihnen, bevor Sie gehen, noch etwas sagen«, druckste er herum. »Dass Ihre Tochter bald ein Kind bekommt, kann selbst ein Pfarrer sehen. Das Gerumpel auf einem Pferdekarren ist Gift für eine schwangere Frau.«
    Er schwieg und paffte und der alte Mann wunderte sich über seine Fürsorge.
    »Aber es geht nicht um Ihre Tochter Mathilde allein«, rückte schließlich der Pfarrer mit der ganzen Wahrheit heraus. »Wir brauchen in Alice-Springs einen tüchtigen Lehrer. Ihr Schwiegersohn ist Lehrer. Ich habe mit der Gemeinde gesprochen. Er passt hier hin.«
    »Er wird nicht bleiben«, antwortete der alte Mann. »In seiner Post steht zu lesen, dass in Preußen die Arbeitervereine jetzt endlich nicht mehr verboten sind. Er hat sich für die Arbeiter eingesetzt. Er wird zurückwollen.«
    »Ich habe von ihm eine andere Auskunft«, schmunzelte der Pfarrer. »Er will für ein Jahr einen Vertrag unterschreiben.«
    »Wie haben Sie ihn denn dazu gekriegt?«, staunte der alte Mann.
    »Ich glaube, er bleibt vor allem, weil er neben seiner Kinderschule abends einen Lese- und Schreibunterricht für die erwachsenen Neger einrichten kann.«
    »Die hätten’s besser als Kinder lernen sollen. Was Hänschen nicht lernt . . . «
    »Oh, Mann«, rief der Pfarrer und wunderte sich über den alten Mann. »Wie lange sind Sie schon in diesem Land und haben keine Ahnung! Die Pflanzer waren der Überzeugung, dass es eine Todsünde war, wenn einer ihrer Sklaven ein Buch in die Hand bekam. Die Peitsche war den meisten Negern sicher, wenn man sie lesend erwischte.«
    »Aber Georgia kann lesen und Jeremy auch.«
    »Das haben sie mit Sicherheit erst nach dem Krieg gelernt. Außerdem will der Lehrer die Neger ermuntern von ihren Rechten Gebrauch zu machen. Vor allem sollen sie sich von den Weißen nicht einschüchtern lassen und zur Wahl gehen.«
    »Jetzt erkenne ich ihn wieder«, sagte der alte Mann.
    Der Pfarrer erhob sich.
    »Na, was sagen Sie zu diesen Plänen?«
    »Was soll ich sagen? Was Sie von der bevorstehenden Geburt sagen, das stimmt ja wohl. Nur, meine Kolonne schmilzt zusammen. Und wir wollten doch alle gemeinsam wieder nach Liebenberg zurück.«
    Als sie aus Alice-Springs fortzogen, war genügend Platz auf den beiden Wagen.

Es dauerte noch genau sieben Wochen, bis der alte Mann seine wirklich große Chance bekam. Die Zimmerleute hatten sich entschlossen zunächst nach Nordosten weiter in das Hügelland hineinzuziehen. In Tuscaloosa hatten sie für ein warmes Essen einen Schweinestall ausgebessert. Mit kleineren Alltagsarbeiten schlugen sie sich in Richtung auf die Grenze von Tennessee durch. Je weiter sie nach

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