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Der Lange Weg Des Lukas B.

Der Lange Weg Des Lukas B.

Titel: Der Lange Weg Des Lukas B. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Willi Faehrmann
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hatten.
    »Jetzt wird Bismarck, der Eiserne Kanzler, völlig überschnappen«, sagte der Lehrer. Aber damit kam er bei den Männern schlecht an. Sie redeten vom Vaterland in Not, von Franzmännern und dass es höchste Zeit wäre, ihnen zu zeigen, was die deutsche Manneskraft bedeute.
    Der lange Slawik und Grumbach überlegten, wie sie am schnellsten zurückfahren könnten, damit der König genug Soldaten habe. »Was gehen uns die Kriege der Großen an?«, fragte der Lehrer. »Seid froh, dass ihr weit weg seid. Ihr seht doch hier im tiefen Süden, wer am meisten unter dem Krieg leidet.«
    »Halten Sie den Mund!«, rief Slawik erbittert. »Sie sind überhaupt kein Kerl, haben kein bisschen Mumm in den Knochen.«
    »Haben Sie nicht unter des Königs Fahne gedient?«, fragte Grumbach. »Sie sind mir vielleicht ein vaterlandsloser Geselle.«
    »Das Vaterland darf man in der Stunde der Gefahr nicht im Stich lassen«, meinte selbst Lenski.
    Und Slawik prahlte siegesgewiss: »Den Mistfranzosen, denen werden wir eines aufs Haupt geben.«
    »Wen meinst du, Wilhelm, wen meinst du eigentlich genau mit den Mistfranzosen?«, fragte der Lehrer. Slawik schaute verbiestert und sagte: »Na, all die Franzmänner eben.«
    »Genauso wie ›die Nigger‹, ›die Indianer‹, ›die Konföderierten‹, ›die Blaujacken‹. Müsstest doch längst gemerkt haben, dass das alles höchst unterschiedliche Leute sind, wenn du ihnen wirklich begegnest. Ich kenne einige Franzosen aus meiner Zeit in Xanten. Ich sage dir, es sind Menschen wie wir, ‘s mag einige ganz böse darunter geben und vielleicht ebenso viele ganz gute. Aber die meisten sind ein bisschen gut und ein bisschen bös, eben genau wie wir.«
    »Wenn sie Napoleons Uniform anziehen, dann sind sie für mich alle gleich. Feinde eben.«
    »Und allein weil sie in eine rote Hose und einen blauen Rock gesteckt worden sind, würdest du auf sie schießen? Auf junge Burschen wie Andreas? Auf Männer, die zu Hause Frau und Kinder haben? Warum, sag mir, warum willst du auf sie schießen?«
    »Weil sie . . . «, der dicke Grumbach stotterte herum, »eben weil sie Franzmänner sind und unsere Feinde dazu.«
    Sie stritten bis in die Nacht. Schließlich packte Wilhelm Slawik sein Bündel. Eine Postkutsche sollte ihn bis zur nächsten Bahnstation bringen. Von dort aus wollte er auf dem schnellsten Wege zu den »preußischen Fahnen«, wie er es ausdrückte.
    Grumbach blieb. Aber nicht deshalb, weil er weniger kriegsbegeis­tert war, sondern weil er kaum einen Cent in der Tasche hatte. »Ist doch gut, wenn man die Dollars zusammenhält und nicht alles verfrisst«, sagte Wilhelm Slawik ihm zum Abschied.
    »Hast ja selbst nicht genug Geld zusammengespart«, entgegnete Grumbach.
    Das stimmte. Aber die Zimmerleute hatten eine stattliche Summe zusammengeworfen, damit Wilhelm schnell über den Teich kommen konnte.
    »Habt euch losgekauft, wie im Bürgerkrieg die Reichen bei uns«, sagte Jeremy.
    »Quatsch«, sagte Lenski. »Das ist so eine Art Kriegsanleihe für den König.«
    »Der hat’s nötig«, spottete der Lehrer. Aber sie schauten ihn nur böse an.
    Sie hatten das Kirchenschiff gerichtet, bevor der Winter kam. Am Allerseelentag, Anfang November, erhielten sie Besuch. Franek aus Vicksburg war herübergekommen. Er hatte eine Menge zu erzählen. Seine Frau hatte einen Sohn geboren. Das war nicht ganz ohne Probleme abgegangen und sie hatten den jungen Villeroy holen müssen, der sich in Vicksburg den Ruf eines tüchtigen Arztes erwarb. Tobys Restaurant war erweitert worden und Franek hatte den Plan dazu gemacht und selbst ausgeführt.
    »Ich habe übrigens an Bruno Warich geschrieben und die Antwort kam drei Wochen später mit dem Mississippidampfer«, sagte ­Franek.
    »Wie geht es meinem Bruder? Hast du ihm geschrieben, dass wir vielleicht im Frühjahr bis St. Louis hinaufziehen und ihn besuchen?«
    »Ja, ich habe ihm geschrieben, dass ihr vielleicht kommt. Ihr seid ihm alle willkommen, hat er geantwortet. Er freut sich auf das Wiedersehen. Aber dann schreibt er etwas, was ich dem Luke sagen soll.«
    Er zog einen Brief aus der Innentasche und las stockend vor: »Dem Luke, dem Sohn von Karl Bienmann, soll ich einen besonderen Gruß schreiben von einem sehr guten Bekannten, was ich hiermit erledige. Du kannst dir schon denken, wer es ist. Er wohnt zwar nicht weit von hier, aber wir haben wenig Verkehr mit ihm. Ist auch nicht sicher, ob er sich hier auf die Dauer festsetzt.«
    Er ließ das Blatt

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