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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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sind übrig geblieben, also gehe ich zum Badezimmerschränkchen, ziehe die untere Schublade auf.
    Es ist die falsche: Große und kleine Handtücher sind verschwunden, um Wattestäbchen und Medikamenten Platz zu machen.
    Ich durchforste die anderen Schubladen, finde Duschgel und Bodylotion und anstelle der Schuhcreme Kleiderbürsten. Der Schuhschrank steht noch an seinem Platz, aber auf dem Regal daneben liegt jetzt der Fön: Die Dinge sind von einem Fach ins andere gewandert.
    Die Handtücher hängen an meinem Arm, unordentlich.
    »Wohin kommen die?«
    Die Tanten, die gerade mit Frittieren und Würzen beschäftigt sind, unterbrechen ihre Arbeit nicht. Nur Mama hebt kurz den Kopf von der Schüssel, in der sie gerade Eier und Mehl verrührt.
    »Na zu den Handtüchern.«
    Mit dem Rücken der noch sauberen Hand wischt sie sich etwas Weiß von der Wange.
    »Ins Schlafzimmer. In die Kommode.«
    Ich nicke und mache kehrt.
    »Gleich spricht der Präsident!«, schreit mein Vater.
    »Diese Scheißpolitiker«, antwortet Pietro aus seinem Zimmer.
    Ich jedoch gehe ins Wohnzimmer, setze mich neben ihn aufs Sofa. Schweigend sitzen wir vor der Werbung. Dann greift er plötzlich in die Brusttasche seines Hemds, sucht nach etwas und gießt sich, als er es gefunden hat, aus der vor ihm stehenden Flasche Wasser in ein Glas. Mit einem Handgriff löst er zwei Tabletten aus dem Blister. Ich sehe, wie er sie sich in den Mund steckt und mit Wasser hinunterspült. Vermutlich ist es eine Gewohnheit.
    »Und, wie läuft es in Turin?«
    »Gut.«
    Eine Schlange ist unter dem Sessel hervorgekrochen, auf die Kissen gesprungen, windet sich im kalten Licht des Fernsehers.
    »Die Arbeit?«
    »Gut.«
    Er zuckt mit den Schultern und starrt weiter auf den Bildschirm.
    »Ich frage mich: Warum gibt es eigentlich Förderlehrer?«
    Ich spüre, wie sich die Schlange zusammenrollt, als ob ihr kalt wäre.
    »Es geht los«, sagt mein Vater und greift nach der Fernbedienung.
    Der Präsident begrüßt die Nation, und ich gehe in mein altes Zimmer, wo der Computer nicht mehr funktioniert, Mamas Näharbeiten den Schreibtisch belagern und neben dem Bett ein Heimtrainer geparkt ist. Ich suche mein Handy, finde es, gebe seine Nummer ein, ohne das Adressbuch zu bemühen.
    Ich schließe die Augen.
    Anstatt Gianni antwortet eine metallische Stimme vom Band, die ich mir bis zum Ende der Ansage anhöre. Als sie mich auffordert, eine Nachricht zu hinterlassen, beende ich das Gespräch und lege mich aufs Bett. Dieses Jahr will einfach nicht zu Ende gehen.
    »Essen ist fertig!«
    Die Stimme der Tante unterbricht die Ansprache des Präsidenten. Papa und Pietro wandern in die Küche, ich komme nach.
    »O nein«, stöhnt meine Mutter, als sie ein Handy klingeln hört. Es ist meins.
    Ich eile davon, und die geballte Missbilligung der Familie folgt mir.
    »Hallo.«
    »Hey.«
    Einen Augenblick lang stehe ich regungslos da mit dem Handy am Ohr. Dann begreife ich, wer es ist.
    »Savarese.«
    »Wie geht's?«
    Das ist nicht fair.
    »Woher hast du meine Nummer?«, frage ich. Patzig.
    »Aus deiner Wohnung«, erwidert er, als sei das ganz selbstverständlich und völlig legal. »Hör mal: Wie geht es Margherita?«
    Am Fenster tauchen die ersten Feuerwerkskörper auf.
    »Keine Ahnung. Ich habe seit Weihnachten nichts mehr von ihr gehört.«
    »Ich auch nicht«, sagt er.
    »Tut mir leid, Savarese. Nur muss ich jetzt wirklich weg.«
    »Ok. Wir sehen uns, wenn du zurück bist.«
    Das bezweifele ich, verneine jedoch nicht.
    »Bis dann«, sagt er.
    Vom Stockwerk über uns fällt ein Regen aus Feuersternen, die erlöschen, ehe sie die Straße berühren.
    »Ist noch was?«
    »Frohes Neues.«
 
    Eines habe ich in den letzten Monaten begriffen, das will ich dir sagen, auch wenn es nichts bringt.
    Es kommt immer häufiger vor, dass ich mich dem selbsternannten Parkwächter der Camorra geschlagen gebe. Sie haben gewonnen. An der Uni verprügelten sie mich, als ich auf die Straße ging, jetzt machen sie mich wegen meines Arbeitsplatzes fertig.
    Wie all die Male, von denen du weißt, gehe ich dagegen an, so gut ich kann, auch ohne darüber nachzudenken. Sie tragen denSieg davon, aber ich verteidige mich: Ich habe eine Arbeit, eine Wohnung, ein Auto. Meine Familie muss sich nicht mehr um mich kümmern. Das Gegenteil ist der Fall.
    Tja, in diesen Monaten habe ich begriffen, dass ich all diese Dinge Stück für Stück vom ersten bis zum letzten verlieren und immer noch dieselbe Person bleiben kann. All

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