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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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Fuß der Treppe, das Handy in der Hand, um sich die Zeit zu vertreiben, während seine Klassenkameraden Religionsunterricht haben, die anderen in der Turnhalle rumhängen.
    Ich bleibe stehen und kehre um.
    »Hörst du nichts?«
    Mattia zuckt mit den Schultern. Das Handy verschwindet in der Tasche.
    »Ist jemand im Flur?«
    Er beugt sich vor. Schaut nach rechts, nach links, auf seine Füße.
    »Du bist im Flur«, sagt er.
 
    »Können Sie kurz mal runterkommen? In der 1A gibt es ein Problem.«
    Signora Maria, die Hand auf der Türklinke der Werkstatt, hält mich auf.
    Ein Déjà-vu-Gefühl schlägt mir auf den Magen, steigt dann hoch in die Kehle.
    »De Lucia ist nicht da«, stellt sie klar. Ohne Zeit zu verlieren, folge ich ihr in den Flur.
    »Der Erzieher kann nicht mehr lange bleiben, er muss sich um Santojanni kümmern. Und die Belcari ist nach Hause gegangen, die Ärmste.«
    Als wir vor Klassenzimmer 9 ankommen, deutet sie auf die Tür und setzt ihren Weg fort, als gehe sie das alles nichts an.
    Ich atme tief durch, ehe ich die Tür öffne. Alex lässt den Stuhl kreisen und dreht sich um. Andrea, der neben ihm sitzt, streichelt den Leguan, biegt ihm eine Kralle nach der anderen zurecht.
    »Entschuldigt, ich wusste nicht, dass das Klassenzimmer belegt ist.«
    »Ich wollte gerade gehen«, sagt Alex und zieht seine Jacke an.
    Ich gehe zum Tisch. Dem Leguan sind Zähne gewachsen.
    »Was macht ihr hier?«
    »Es gab ein wenig Aufregung in der Klasse während der Englischstunde.«
    »Im Ernst? Und wer hat sich aufgeregt?«
    »Ich«, mischt sich Andrea ein, »ich habe mich aufgeregt.«
    »Ach, du also.«
    Alex lächelt mir zu und lässt uns allein. Ich nehme seinen Platz vor dem Leguan ein.
    »Ich habe mich nicht aufgeregt«, verbessert sich Andrea und zieht ihm das Maul auseinander. »Ich bin ausgerastet.«
    Ich denke an die Belcari, die Arme.
    »Das kann passieren«, sage ich.
 
    De Lucia geht nicht an sein Handy. Grazia auch nicht, aber bei ihr probiere ich es auch nur einmal.
    Ich kehre in die Klasse zurück, um die nächsten Unterrichtsstunden in Angriff zu nehmen: die Stunde in der Werkstatt, die Geographiestunde mit Mattia. Das Akkusativobjekt findet mühsam einen Weg von der Tafel zu Petars Synapsen, die damit nichts anzufangen wissen.
    Die Pausenklingel kündigt das Ende des Schultages an, und das Geschrei und Gerenne im Flur, das wie ein Erdbeben das Gebäude erschüttert, dauert nur einige Minuten, dann strömen die Schüler in den Hof.
    Kaum dass ich den Fuß vor die Tür setze und mich inmitten von Köpfen, Rücksäcken, Schulmappen befinde, fängt das Zischen in voller Lautstärke wieder an.
    Ich gehe zwischen der Rutsche, der Wippe und der Holzhütte durch. Bis zur Haltestelle, wo Petar mit einem Comic-Heft sitzt.
    Die Mitschüler marschieren an ihm vorbei und machen sich über ihn lustig: eine Prozession von nachgeäfften Buckligen, Spastikern, Behinderten. Sie zischen und verderben ihm die Laune.
    Wohin gehst du?
    Ich halte mir die Ohren zu, suche den Weg.
    Wohin gehst du? Sie nehmen dich auf den Arm. Kehr um. Mach etwas!, brüllt Biagini.
    Auch er ist eine Schlange. Was er uns gelehrt hat, nutzt überhaupt nichts.
 
    »Lebst du noch?«
    Ich spüre Margheritas Hand, die meine Kompresse berührt. Ich halte sie fest, dann nehme ich sie weg.
    Ausgestreckt auf dem Bett zu liegen mit einem feuchten Taschentuch auf den Augen ist die einzige Möglichkeit, die ich kenne, um das Zischen zu dämpfen. Ich habe es nicht vertrieben, sondern nur beruhigt, als ob ein Dirigent sie dazu gebracht hätte, piano zu spielen.
    »Kopfschmerzen.«
    Margherita zieht sich die Schuhe aus. »Fußschmerzen«, sagt sie.
    Sie macht sich auf dem Bett breit, streckt die Beine aus.
    »Wie ist es gelaufen?«
    »Gut, würde ich sagen. Ein äußerst ruhiges Vorstellungsgespräch: Sie haben mich praktisch gesucht. Und der Lebenslauf ist gut angekommen. Danke.«
    »Nichts zu danken. Und jetzt?«
    Margheritas Schuhe plumpsen auf den Fußboden.
    »Für ein schlecht bezahltes Praktikum bin ich eigentlich zu alt.«
    Ich lasse die Kompresse von den Augen gleiten. Das Zischen bildet ein erträgliches Hintergrundgeräusch, ich kann das Licht einschalten. Um vier muss ich in der Schule sein.
    »Du bist nicht zu alt«, sage ich und richte mich auf.
    Sie lächelt.
    »Das meinten die dort auch.«
 
    Die Klassenkonferenzen der 1D finden im Erdgeschoss statt. Offiziell bin ich nicht eingeladen, aber als mich die Italienischkollegin an der Tür stehen

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