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Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der Leguan will das nicht: Roman (insel taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giusi Marchetta
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sieht, macht sie mir ein Zeichen, reinzukommen.
    »Na, wie läuft es mit Petar?«
    »Sag du es mir.«
    »Sehr gut. Er hat gut gelernt, einen Großteil des Stoffs aufgeholt.«
    »Von wem ist die Rede?«, fragt eine andere, die ich nicht kenne.
    »Von Kierloy.«
    Sie schneidet eine Grimasse.
    »Das sind hoffnungslose Fälle.«
    Welche Fälle?
    »Fangen wir jetzt mit dieser Konferenz an?«, fragt Nicolini. Miranda und er sind auch in Klasse 1D zugange. Sie sind überall.
    Ich muss raus, aber vorher lasse ich noch meinen Bericht auf dem Tisch zurück.
    »Ich wollte euch sagen, dass Kierloy gute Fortschritte macht. Er wird vernünftiger. Er liest, nimmt an der Werkstatt teil. Auch zu Mattia, zu den anderen verhaltensgestörten Jungen, ist Kierloy immer freundlich. Das ist wichtig. Es muss wichtig sein.«
    Zwei Kolleginnen im Hintergrund unterhalten sich munter weiter, und ein anderer ist mit dem Klassenbuch beschäftigt, mit den Fehlzeiten, die überprüft werden müssen.
    »Können wir jetzt endlich anfangen?«, fragt Nicolini.
    Biagini begleitet mich mit müdem Applaus zur Tür.
 
    »Willst du einen Kaffee?«
    Die Kollegin, die wie ich als Vertretung arbeitet, hat mich gut und gern fünf Minuten lang im Lehrerzimmer auf und ab gehen sehen. Die Konferenz der Klasse 1A beginnt in einer halben Stunde.
    »Seit wann arbeitest du als Inklusionslehrerin?«
    Ich nehme den Kaffeebecher aus der Maschine.
    »Seit letztem Jahr.«
    »Und was sind deine Fächer?«
    »Latein und Italienisch.«
    Lass sie in Ruhe.
    »Und hast du sie auch schon mal unterrichten können?«
    »Im letzten Jahr hatte ich ein paar kurze Vertretungen. Dann nichts mehr.«
    Ich sehe sie wieder in der Werkstatt stehen neben Idra, die sich im Rollstuhl von einer Seite auf die andere wirft. Irgendwas kneift sie.
    »Es tut mir leid wegen Andrea«, sagt sie, um mich zu trösten. »Ich hatte den Eindruck, dass es besser laufen würde.«
    »Ja, er versucht es«, antworte ich. »Aber er ist krank. Das machen die sich viel zu selten bewusst.«
    Wer, die? Die anderen Lehrer? Die echten Lehrer?
    »Das ist oft so«, sagt sie. »Nicht immer, um Gottes willen, aber oft.«
    Sie dreht sich zur Tür um; da ist niemand.
    »Vor zwei Jahren habe ich mich um einen autistischen Jungen gekümmert«, fährt sie fort. »Nicht wie Riccardi, viel ruhiger. Eines Tages bittet mich die Mathematikkollegin, rauszugehen, weil ich sie störte, als ich ihm ganz leise die Rechenaufgabe diktierte.«
    Ich weiß nicht, warum mir ausgerechnet jetzt Andreas Leguan in den Sinn kommt. Die neuen, spitzen Zähne.
    »Und als ich sagte, dass ich lieber bleiben würde, weil er gut sei in Mathematik, ist sie mit der ganzen Klasse ins Labor gegangen.«
    Ich glaube nicht, dass ich sie richtig verstanden habe, und sie merkt es.
    »Sie hat uns einfach stehen lassen, mich und ihn«, erklärt sie. Dann presst sie den Pappbecher zusammen, wirft ihn in den Papierkorb.
    »Und was hast du dann gemacht?«
    Sie blickt mich verblüfft an.
    »Was hätte ich schon machen sollen?«
 
    Die Lehrer und Lehrerinnen der 1A sitzen um den Tisch der Bibliothek herum. In der hinteren Ecke haben als Schülervertreter Meriem und Lorenzo Platz genommen.
    »Ich schlage vor, dass der Schüler Riccardi, wie von der Klassenkonferenz vorgesehen, das weitere Schuljahr in Klassenzimmer 9 verbringt, mit Erzieher, Lehrerin, was auch immer.«
    Miranda spricht langsam, und Loredana schreibt mit, wobei sie mir einen traurigen Blick zuwirft.
    »Damit bin ich nicht einverstanden«, sage ich.
    Nicolini stöhnt.
    »Dann willst du also auch vor dem zigsten Angriff die Augen verschließen«, sagt Miranda.
    »Bist du denn von ihm angegriffen worden?«
    »Grazia ist angegriffen worden.«
    Sie lässt sich dieses Grazia auf der Zunge zergehen, zieht den Namen in die Länge. Seit Beginn des Schuljahres hat sie auf diesen Augenblick gewartet.
    »Wie ist das passiert?«
    »Lass es dir doch von ihr erzählen. Falls sie sich wieder erholt.«
    »Es gab auch Fortschritte, die wir berücksichtigen müssen. Und die Werkstatt mit den Schülern.«
    Hastig suche ich nach Argumenten. De Lucia, derschweigend das Zimmer betritt, setzt sich neben mich, es gibt wieder Luft zum Atmen.
    »Kurzum, gemessen am Anfang des Schuljahres hat sich Andrea wirklich gebessert«, beende ich mein Plädoyer.
    »Das hat man ja gesehen«, sagt Nicolini.
 
    Er ist der Riss, der hinter seinem Rücken durch die Wand geht. Schon seit Jahren zieht sich dieser Riss dort hoch, wird vom

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