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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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zurückgelassen hast? Dass du dich einfach und ohne
ersichtlichen Grund umgedreht hast und ohne ein Wort gegangen bist? Weißt du
eigentlich, wie ich mir vorgekommen bin? Wie eine Aussätzige. Warum hast du
Arschloch das nur gemacht? Wahrscheinlich ist das schon die Antwort: eben weil
du ein Arschloch bist.«
    Â»Nein, weil ich bekloppt bin.«
    Sie hob herausfordernd das Kinn. »Was soll das heißen?«
    Â»Hast du ein bisschen Zeit? Es dauert nämlich länger. Dafür muss ich
dir meine Lebensgeschichte erzählen. Ich baue auch ein paar Actionszenen und
Verfolgungsjagden ein, dann wird es nicht langweilig. Hör sie dir an, bitte.
Wenn du danach nichts mehr von mir wissen willst, dann wirst du auf ewig Ruhe
vor mir haben.«
    Diana blickte auf die digitale Uhr in der Ecke des
Computerbildschirms. »Okay, eine Chance kriegst du noch. Obwohl du die
überhaupt nicht verdient hast. Ich halte dir zugute, dass Männer von Natur aus
dumm und unsensibel sind.« Sie griff sich ihre Jacke. »Ich muss noch zu einem
Termin. Eigentlich wollte ich später mit dem Auto hinfahren, aber lass uns doch
stattdessen jetzt zu Fuß gehen. Und du erzählst mir währenddessen deine
Entschuldigung. Sie sollte wirklich verdammt gut sein.«
    Die Entschuldigung war richtig gut, und sie war richtig lang. Pit
begann mit seiner Kindheit in einer Metzgerei, umgeben von Schinken, Würsten
und Pasteten. Sie waren es, die ihn mit seinem strengen Vater verbanden, nur in
dieser Hinsicht waren sie sich immer einig gewesen. Er gestand Diana seine
tiefe Liebe zu Fleisch, seine Verehrung für Grillwaren und sein schwieriges
Verhältnis zu Gemüse und Vitaminen.
    Er brachte sie zum Lachen. Mehr als einmal. Und er entschuldigte
sich. Deutlich mehr als einmal.
    Die beiden spazierten am Cam entlang Richtung Grantchester. Ihr
Ziel: der Orchard Tea Garden – ein nicht wegzudenkender Bestandteil des
universitären Lebens. In der Zeit der Maibälle war es geradezu Pflicht für die
nach den langen, durchzechten Nächten übermüdeten Studenten, zum Frühstück mit
dem Boot hierher zu punten.
    Nachdem seine ausführliche Entschuldigung angenommen worden war, die
vor allem darin bestand, dass er sich als ignoranten Idioten bezeichnete – der
aber auf dem Weg der Besserung sei, sprach Pit die Einladung zum Pub-Quiz aus.
    Â»Oh, ich liebe Pub-Quiz! Und der Tag passt auch. Vormittags ist die
Beerdigung meines Vaters. Da kann ich abends gut etwas gebrauchen, um auf
andere Gedanken zu kommen.«
    Pit war überrascht. Ihm wäre es komisch vorgekommen, an solch einem
Tag unter angetrunkenen, fröhlichen Menschen zu sein. Er würde nach der
Beerdigung eines Elternteils zu seiner liebsten Currywurstbude fahren. Denn da
gab es angetrunkene, unfröhliche Menschen. Da passte er dann prima hinein.
    Plötzlich kam ihm eine Idee. Vielleicht hatte Diana Informationen zu
Dame Wenbosca, die Bietigheim weiterhelfen konnten? Die Teewelt war schließlich
klein.
    Â»Weißt du, wer auch beim Pub-Quiz sein wird? Die Besitzerin der
Teeplantage in Cornwall. Kennst du die eigentlich? Wahrscheinlich schon, ich
meine, als Tee-Expertin?«
    Diana nickte. »Aber nicht nur deswegen. Dame Julia Wenbosca ist
zugleich die Großkusine meiner Putzfrau, die früher auch bei deinem Professor
geputzt hat – bevor er hinausgeschmissen wurde. Dame Julia hat das Institut für
Kulinaristik immer gefördert, vor allem bei Forschungen, die englische
Lebensmittel betreffen. Einer ihrer Pläne, mit dem ich zu tun hatte, ist es,
englischen Pu-Erh-Tee zu produzieren. Sie hat eine große Leidenschaft für diese
Teesorte.«
    Nur ein kleines Stück abseits des Cam und seiner saftigen Uferwiesen
lag der Orchard Tea Garden. Er bestand aus einem Garten mit gepflegtem Rasen
und unzähligen Obstbäumen. Überall standen grün bespannte Deckchairs und kleine
Tische, die sich die Gäste je nach Laune zusammenstellen konnten. Den Tee und
Kleinigkeiten zum Essen holte man sich in einer Art besserer Bretterbude. Die
Stimmung war hervorragend, die Sonne ließ sich blicken, hier konnte man es
aushalten. Pit hielt zwei Plätze frei, während sich Diana um die Verpflegung
kümmerte – obwohl Pit angeboten hatte, sie einzuladen, woraufhin sie jedoch nur
gelacht hatte.
    Nach einer Weile kam sie mit Tee und Kuchen zurück.
    Â»Ist das hier deine schärfste Konkurrenz?«, fragte

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