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Der letzte Aufguss

Der letzte Aufguss

Titel: Der letzte Aufguss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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äußerst lecker schmeckten.
    Deshalb, und weil der Kuss ohne Zögern erwidert wurde, blieb es
nicht bei dem einen.
    Als Pit zurück zum Hausboot kam, beschwingten Schrittes und leichten
Herzens, lag Benno rücklings an Deck, neben sich einen angekauten Rettungsring.
Er sah zufrieden mit sich und der Welt aus. Und damit genau so, wie Pit sich
fühlte.
    Kurz nachdem er an Bord der »God Save The Queen« getreten war,
tauchte Renas Kopf in der Luke auf. Sie sah blasser aus als eine
Kopfschmerztablette.
    Â»Ich hab gerade was entdeckt und muss mit jemandem drüber reden. Der
Professor ist unterwegs in Sachen Schwanenessen …«
    Â»Und Benno schläft, schon klar.« Er lächelte sie an, weil die
Schmetterlinge in seinem Bauch immer noch wild mit den Flügeln schlugen.
    Â»Ich meine es ernst, Pit! Weil es schrecklich ernst ist! Als Töler
mit seinem Unitrupp ins Haus in der Pretoria Road kam, hab ich alles Mögliche
aus meinem Zimmer in den Koffer geworfen. Irgendwelche Tüten, die unter dem
Bett lagen, Sachen aus dem Badezimmer, keine Ahnung, alles halt. Ohne es mir
genauer anzuschauen. Eben hab ich versucht, mal Ordnung ins Chaos zu bringen,
und dabei ist mir das hier in die Hände gefallen.« Sie hob ein kleines weißes
Plastikdöschen mit luftdichtem Verschluss hoch, wie man es für Tabletten
verwendet. »Wahrscheinlich stammt es aus der Schreibtischschublade, die ich
komplett umgedreht habe. Da waren so komische Klebestreifen an der Unterseite,
und hier sind die auch dran. Anscheinend war das Döschen dort festgepappt,
sollte wohl nicht gefunden werden.«
    Â»Weißt du, was es ist?«
    Rena nickte. »Es steht drauf. Also der Fachbegriff, weil das Döschen
aus dem Institut stammt. Vor einigen Wochen hätte ich noch nicht gewusst, was
er bedeutet, jetzt kann ich ihn dir im Schlaf buchstabieren.«
    Pit nahm das Döschen in die Hand und las die Beschriftung. Auch er
wusste, was sich hinter dem Namen Tetrodoxin verbarg.
    Â»Kugelfischgift!«
    Â»Wer hat vor mir in dem Zimmer geschlafen? Du weißt schon, das
kleine unter dem Dach? Das mit dem verspiegelten Kleiderschrank.«
    Â»Michael hat mal dort Quartier bezogen.« Er schluckte, als müsste er
eine Gänsekeule im Ganzen herunterbekommen. »Michael Broadbent.«
    Â»Das habe ich befürchtet. Es wird dem Professor das Herz brechen.«
    Es war der Tag des großen kulinarischen Wettstreits im Midsummer
House zwischen Daniel Clifford, dem einzigen Zwei-Sterne-Koch East Anglias,
auch bekannt aus dem Fernsehen, und Professor Dr. Dr. Adalbert Bietigheim aus
Hamburg. Der Schwan trat an gegen geräucherte Makrele mit Kaviar und Gurke,
confierten Schweinebauch mit Honigpüree und Madeirasauce sowie Pistaziensoufflé
mit Schokoladensorbet.
    Bietigheim hatte entschieden, den Schwan in drei Gängen zu
servieren, selbst ins Dessert hatte er Charles eingebaut – dank einem Tipp
seines Freundes Julius Eichendorff aus dem Ahrtal. Der hatte am Telefon sogar
ein bisschen neidisch geklungen, dass der Professor nun ein Tier zubereiten
durfte, welches bei ihm selbst noch nie in den Bräter gekommen war. Und dass es
statt seiner nun der Professor war, der Schokoladenparfait mit Schwanenblut
zubereitete.
    Der Professor hatte keine Zeit, das hübsche kleine Gebäude zu
bewundern, in dem das Restaurant untergebracht war. Es war ein richtiges
englisches Hexenhäuschen direkt am Ufer des Cam, mit einem Erker und einem
schmalen Schornstein. Schon von außen war zu sehen, dass die Gäste bereits in
den beiden Wintergärten des Gebäudes saßen. Sowohl der London High Tea Club als
auch auch die Mitglieder des Ost- und westfriesischen Schwarztee-Conviviums
waren bereits eingetroffen und genossen Aperitifs, aßen kleine Häppchen und
warteten gespannt auf die Menüs, welche parallel serviert werden sollten.
    Doch wo steckte Hildegard zu Trömmsen, wo die Pfingstrose der
Alster? Nirgends konnte Bietigheim ihre grazile Silhouette ausmachen, der Stuhl
am Ende der Tafel war leer.
    Der Professor stürzte hinein. Die Platzkarte wies den leeren Platz
tatsächlich als den ihren aus. All das tat er doch nur für sie! Trotz der kurz
bevorstehenden Auflösung der Morde hatte er sich die Zeit dafür genommen. Nicht
für die Geisteszwerge des Ost- und Westfriesischen Schwarztee-Conviviums, erst
recht nicht, um den Engländern zu zeigen, wie man einen Schwan

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