Der letzte Bissen
klingelte ein Handy. Bastian hatte gerade die Dusche verlassen. Er warf ein Badetuch um die Hüften und suchte in Sarahs Tasche nach dem Verursacher des Geräuschs. Es war das Handy, das sie sich für den Undercovereinsatz besorgt hatten.
Er stürmte ins Schlafzimmer und rüttelte an Sarah, bis sie ihn benommen anstarrte. »Wollweber!«, sagte er. »Wollweber, verstehst du? Du heißt Eva Wölke!«
»Wo bin ich?«
Ihre Stimme klang, als hätte sie Schmirgelpapier verschluckt.
»In meiner Wohnung. Geh jetzt ran!«
Mit unendlicher Langsamkeit nahm sie das Handy und das Gespräch an. »Wölke!«
Bastian spitzte die Ohren. Doch er hörte lediglich eine männliche Stimme am anderen Ende der Leitung und Sarahs »Mh« und »Ja«. Sie beendete das Telefonat, reichte ihm das Gerät zurück und ließ sich wieder auf das Kissen fallen.
»Was ist?«
»Um zehn ruft er nochmal an und sagt, wo wir die Fuhre hinbringen sollen.« Sie zog sich die Decke über den Kopf.
Es dauerte fünfzehn Minuten, bis es Bastian gelang, Sarah aus dem Bett zu scheuchen und unter die Dusche zu befördern. Er löste drei Aspirin in Wasser auf und stellte ihr das Glas auf das Waschbecken.
Als sie weitere zwanzig Minuten später das Bad verließ, war der Frühstückstisch fertig gedeckt. Willi stürzte in den Waschraum, in dem Moment war ihm nicht anzumerken, dass eine Kugel sein Bein gestreift hatte. Zuvor hatte er mehrfach angedroht, aus dem Fenster zu pinkeln.
Bastian reichte Sarah eine Tasse mit Kaffee und berichtete, dass er inzwischen mit Eberwein telefoniert habe. Um neun Uhr wurden sie in der Asservatenkammer erwartet.
Sarah musterte Bastian fragend. »Sag mal«, begann sie schließlich. »Habe ich mich gestern Nacht danebenbenommen?«
»Ich hätte mir die Schimpfwörter aufschreiben sollen, mit denen du deinen Ex bedacht hast.«
Zufrieden biss sie in ein Marmeladenbrot und spülte mit Kaffee nach.
Willi zog die Badezimmertür hinter sich zu und das verletzte Bein wieder nach. »Mann, habe ich einen Brummschädel!«
Sarah stand auf und ging zum Kühlschrank. »Hast du Milch da?«
Willi hielt den Atem an und schaute wie erstarrt zu, wie sie die Kühlschranktür öffnete und wieder schloss. Als sich Sarah den Männern zuwandte, hielt sie eine angebrochene Tüte Milch in der Hand. Willis Gesicht war ein einziges Fragezeichen. Bastian schmunzelte. Das war seine erste Amtshandlung heute früh gewesen, den Kühlschrank leer zu räumen und die verbotenen Speisen in der Abstellkammer zu verstecken.
32.
Günther Wollweber saß neben seinem Sohn und starrte auf das Treiben vor der U-Bahn-Station. Die Berliner flüchteten aus der Stadt, an den Wannsee und andere Gewässer. Sie waren mit Badezeug, Grilltaschen und iPods bewaffnet. Es war halb zehn.
»Vielleicht hätten wir den Bergmann konsultieren sollen«, sagte er. »Möglicherweise kennt er Frau Wölke!«
»Damit er uns die Ladung vor der Nase wegschnappt?«
»Wir gehen ein großes Risiko ein.«
»Wenn wir nicht handeln, brechen uns ein paar Großkunden weg. Das Risiko ist viel größer.«
»Ein Anruf und wir...«
»Langsam reicht es mir!«, unterbrach Boris erregt. »Bergmann, Bergmann, Bergmann. Dreht sich denn jetzt alles nur noch um diesen beschissenen Bergmann?! Warum überschreibst du ihm nicht gleich alle deine Besitztümer? Du warst früher mal ein Kämpfer. Schau dich an! Ein Weichei bist du geworden.«
»Wie redest du mit mir!«
»Ist doch wahr. Wir haben eine unglaubliche Trumpfkarte in der Hand, wir können Deutschland verändern, und du, was machst du? Du wirfst dich diesem Emporkömmling an den Hals. Hast du denn vergessen, dass das Schwein dich vergiftet hat?«
Günther Wollweber schnaufte. »Nein, das habe ich nicht vergessen. Dafür wird er bezahlen.«
»Ach«, höhnte Boris. »Es sieht aber eher danach aus, als ob du für ihn die Rechnung übernimmst.«
»Es ist nichts so, wie es scheint«, sagte der Alte bedächtig.
Sein Sohn sah ihn skeptisch an.
»Wahr ist, dass wir in diesem Moment tatsächlich keinen Zwei-Fronten-Krieg gebrauchen können. Wahr ist, dass ich den Bergmann gerne im Boot haben möchte. Wahr wird auch sein, dass er mit diesem Boot ersaufen wird, während wir am Ufer stehen und winken.«
Boris brauchte eine Weile, um das Gehörte nachzuarbeiten. »Dein Friedensangebot ist eine Farce?«
Der alte Wollweber nickte.
»Warum hast du mir das denn nicht gleich gesagt?«
»Weil du dann sicherlich nicht so überzeugend reagiert hättest.
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