Der letzte Drachenlord - Hatfield, M: Der letzte Drachenlord
der Drachen hoch in den Bergen führte, und nahm ihre menschliche Gestalt an.
Kaum hatte sie den düsteren Eingang der Höhle betreten, da glitten die uralten massiven Steinbrocken auch schon zur Seite, um sie in die Innere Stadt zu lassen. Auf der anderen Seite erblickte sie sofort Falcon, Declans Stellvertreter, der sie besorgt erwartete. Tallon fiel auf, dass er vom Kopf bis zu den Stiefeln in einem schwarzen Kampfanzug steckte, und fragte sich, ob er ihnen womöglich hatte folgen wollen – und ob das Unternehmen vielleicht einen anderen Ausgang genommen hätte, wenn er das getan hätte.
Sie unterdrückte den Gedanken und trat durch das Tor. Er lächelte erfreut, als er sie erblickte.
„Da bist du also wieder.“ Sein hüftlanges schwarzes Haar wehte hinter ihm her wie ein Schal. Tallon blinzelte und starrte nach vorn.
„Der Rat hat dich schon erwartet …“ Der Satz blieb in der Luft hängen. Aus den Augenwinkeln konnte Tallon sehen, wie seine Brauen sich zusammenzogen, als er mit einem Blick über die Schulter merkte, dass die Steinwände sich hinter ihr wieder schlossen.
„Wo ist Lord Declan?“
Tallon wurde das Herz schwer, und ihre Beine hätten beinahe nachgegeben, als sie seinen Namen hörte. Sie presste die ramponierte braune Umhängetasche an die Brust und schritt weiter durch den dunklen äußeren Tunnel. Mit jedem Meter wurde die Luft kühler, außer dem Tropfen des Kondenswassers auf glitschigen Steinen war nur das Geräusch ihrer Fußtritte zu hören. Tallon ging einfach weiter, bis große Hände sie an den Schultern fassten und zwangen, sich umzudrehen. Sie hatte das Kinn gesenkt und die Augen geschlossen. Es war ihr nicht möglich, ein Wort herauszubringen. Sich selbst einzugestehen, was ihr Herz längst wusste. Wenn sie es aussprach, Declan ist tot, dann erst würde es tatsächlich Wirklichkeit werden, und im Augenblick konnte sie noch so tun, als wäre alles nur ein böser Traum gewesen, als gäbe es noch einen Funken Hoffnung.
„Tallon.“ Falcons sanfte Stimme umfing sie – genauso wie er sie gern in die Arme genommen hätte. Aber sie waren eine kriegerische Gemeinschaft, ein rauer kämpfender Orden. Jede Art von Schwäche, besonders Liebe, wurde mit Misstrauen betrachtet, erst recht seit dem Mord an ihrem König und ihrer Königin. Ihre Eltern … und Declans Eltern.
Sie schluckte ein kaum hörbares Schluchzen herunter.
„Großer Gott, nein.“ Falcons Finger klammerten sich an ihre Schultern, als würde er zu Boden stürzen, wenn er sie losließe. Endlich hob sie den Kopf und blickte in das Gesicht, das sieschon ihr Leben lang kannte. Der Schmerz über den möglichen Verlust stand darin geschrieben, genauso wie in ihrem eigenen. Tränen stiegen ihr in die Augen, sie schüttelte den Kopf, immer noch unfähig zu sprechen. Falcon nickte, er verstand sie, wollte selbst die Wahrheit nicht hören. Er strich ihr eine Locke aus den Augen, bevor er seine Hand wieder auf ihrer Schulter ruhen ließ.
„Komm, wir müssen es den anderen mitteilen.“ Sanft legte er seinen Arm um sie.
Tallon wollte ihn zunächst wegschieben, denn sie wollte allein und mit erhobenem Kopf vor den Rat treten, voller Stolz darauf, dass Declan und sie die Aufgabe erfolgreich zu Ende gebracht hatten, die man ihnen aufgetragen hatte. Aber Falcons Wärme tat ihrem geschundenen Herzen gut. Das ungeheuerliche Ausmaß dessen, was vorgefallen war, schien wenigstens für den Augenblick an Härte zu verlieren. Also schloss sie die Augen, lehnte den Kopf an seine Schulter und ließ zu, dass er sie geleitete.
Ihre Höhle direkt unter dem Berggipfel zerlief in einem ganzen Netzwerk von Tunneln und Grotten jeder vorstellbaren Größe. Tallon kannte jeden Winkel auswendig. Sie konnte sich hier mit geschlossenen Augen zurechtfinden. Die Körperwärme viel zu vieler anderer Drachen erhitzte die sonst kühle Höhle. Hinter ihren geschlossenen Lidern flackerten Lichter. Der Geruch von gebratenem und gewürztem Fleisch stieg ihr in die Nase, und das Gewisper zahlloser Stimmen klang ihr in den Ohren.
Falcon umarmte sie fester, während sie den langen Korridor entlangschritten, der zum Hauptquartier des Rats führte. Als die Gerüche und Geräusche der Inneren Stadt hinter ihnen abklangen, löste Tallon sich aus seiner beschützenden Umarmung und öffnete die Augen. Nach kurzem Zögern ließ Falcon sie los.
„Danke“, flüsterte sie.
Er erwiderte nichts. Das brauchte er auch nicht.
Nach wenigen Schritten standen sie vor
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