Der letzte Exfreund meines Lebens
Unsicherheit und Paranoia irgendwann verflogen, doch auch wenn dieser Gedanke ausnehmend verführerisch gewesen war, hatte sie es sich bereits nach wenigen Minuten anders überlegt. Vielleicht hätte sie sich der Apathie ergeben, hätte sie nicht noch ein kleines Päckchen aus dem Club in ihrer Handtasche gehabt. So aber bestand
kein Grund, sich voller Selbstmitleid im Bett zu aalen, denn die Hilfe war zum Greifen nah. Es gab Dinge, die sie im Leben wollte, und die würde sie ganz sicher nicht bekommen, wenn sie sich in einem Hotelzimmer versteckte und sich von der Angst beherrschen ließ. Verdammt, sie hatte jede Menge Arbeit in Will Sargent investiert und ließe ganz bestimmt nicht zu, dass Kate O’Neill sich ihn jetzt schnappte und mit ihm verschwand.
Alle ihre Freundinnen standen im Begriff zu heiraten, sesshaft zu werden und Kinder zu bekommen, und das wollte sie jetzt auch. Sie war es einfach leid zu modeln, ständig unterwegs und pausenlos auf Draht zu sein, hatte keine Lust mehr, immer nur Gemüse oder Fisch zu essen, und wollte vor allem nicht mehr morgens ganz allein in einem anonymen Hotelzimmer erwachen, nachdem sie die ganze Nacht in irgendeinem Club von Horden von Bewunderern umringt gewesen war. Allzu oft hatte sie ihre Vergnügungssucht auf ihre eigenen Kosten ausgelebt und statt langfristiger Freuden kurzfristigen Spaß gesucht. Doch das war jetzt vorbei. Es war allerhöchste Zeit, dass sie endlich erwachsen wurde, hatte sie sich streng gesagt, sich unter Mühen aus dem Bett gehievt, sich ihre Handtasche geschnappt und sich ins Bad geschleppt. Dort hatte sie in einem Haufen von Kosmetika gewühlt und, als sie das Gesuchte nicht gefunden hatte, panisch den gesamten Inhalt ihrer Tasche auf die Marmorablage neben dem Waschbecken gekippt und mit zitternden Händen und tränenfeuchten Augen abermals durchsucht.
Reiß dich zusammen, hatte sie sich angeherrscht, tief Luft geholt, noch mal genauer nachgesehen und – vielleicht war das Päckchen ja auch irgendwo hineingerutscht – ihre Brieftasche und selbst ihren Terminkalender aufgeklappt. Am Rande der Verzweiflung hatte sie noch einmal in der leeren Handtasche getastet, einen Riss im Futterstoff entdeckt, einen
Finger in das Loch geschoben und am Ende – Halleluja! – das winzige Zellophanpäckchen entdeckt. Sie hatte es aufgerissen, eine Kreditkarte aus ihrer Brieftasche gezerrt, zwei fette Lines zusammengekratzt, dann langsam und genüsslich einen Schein aus ihrem Geldbeutel genommen, zusammengerollt und sich damit über den Stoff gebeugt. Daraufhin hatte sie sich wieder aufgerichtet, lächelnd ihr Spiegelbild betrachtet und erleichtert festgestellt, dass sie wieder ganz die alte selbstbewusste, gut gelaunte Tina war. Himmel, etwas derart Wunderbares würde sie am besten niemals aufgeben.
»Mit der Reha fange ich morgen an«, hatte sie gegenüber ihrem Spiegelbild einen in ihren Kreisen ausnehmend beliebten Spruch zitiert.
Doch nach der Heirat mit Will müsste sie sich das Koksen wirklich abgewöhnen, hatte sie gedacht. Natürlich wusste er, dass sie hin und wieder etwas nahm, wenn sie um die Häuser zog – schließlich war er alles andere als naiv –, allerdings hatte er keine Ahnung, wie sehr sie das Zeug brauchte, das ihr Energie verlieh und das beste Mittel gegen Langeweile war. Sie hatte nicht den Eindruck, dass sie sich deswegen schämen müsste – sie hatte ja kein wirkliches Problem –, aber trotzdem gab ihr Will bereits wegen der lächerlichen Mengen, die sie konsumierte, das Gefühl, der letzte Dreck zu sein. In Bezug auf Drogen war er wirklich spießig, und sie hatte sich schon oft gefragt, wie er es schaffte, mit einer solchen Einstellung in der Musikbranche auf Dauer zu bestehen.
Hätte er gewusst, wie viel sie wirklich nahm, hätte er bestimmt ein Riesenaufheben gemacht, obwohl das ganz bestimmt nicht nötig war. Und genau, weil sie ganz einfach kein Problem mit Drogen hatte, konnte sie so weitermachen wie bisher. Koks war das Einzige, was sie sich regelmäßig gönnte – und dann immer nur den allerbesten Stoff. Er gehörte einfach zu dem Leben, das sie führte, und wenn dieses
Leben erst vorüber wäre, würde sie auch diese Angewohnheit sicher ohne jede Mühe aufgeben.
Nachdem sie geduscht und sich angezogen hatte, hatte sie ihre Agentin angerufen und alle Termine dieser Woche abgesagt. Eleanor war ganz eindeutig genervt gewesen, aber das war ihr Problem, und sie sollte sich ihr Geld ruhig einmal richtig
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