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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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störte ihn nicht. »Ich habe keine Mittel hier. Warum säuft er auch Wasser an der Straße?!«
    Pflichtgemäß meldete er Leutnant Sergeij Polkatin den Vorfall. Er war erstaunt, als der junge Offizier hochfuhr, als habe man ihn gestochen.
    »Cholera?!« schrie er. »Hier im Lager?! Wo ist der Kranke?«
    »Noch im Lager!«
    »Sofort isolieren, du Idiot!« schrie Polkatin. »Sollen wir alle krepieren?! Hat man so etwas schon gesehen?! Cholera im Lager – und der Kerl steht da, als meldet er einen Schnupfen!«
    Wenig später raste Polkatin mit seinem Jeep nach Bacau. Die Angst saß ihm im Nacken. Wenn nur einer an Cholera stirbt, läuft ein staatlicher Gesundheitsapparat an, in dessen Mahlwerk die ganze Lagerleitung mit zerstückelt wird. Infektion ist ein schreckliches Zauberwort für den Russen.
    Am Abend noch kam Sergeij Polkatin aus Bacau zurück. Drei Lastwagen fuhren hinter ihm her und rasten zum Lager III/M.
    Als sie innerhalb des elektrischen Zaunes standen, glaubten die Gefangenen zu träumen.
    Ärzte stiegen aus, zwei Schwestern, Sanitäter mit Medikamentenkisten und Chlorkalksäcken. Bahren, Eisenbetten, Decken wurden ausgeladen.
    Ein großes Lazarettzelt wurde auf dem Appellplatz errichtet.
    Ein Wunder war im Steinbruch von Tarcaului geschehen.
    Drei Wochen bemühten sich die sowjetischen Ärzte aus Bacau um den todkranken Michael Peters.
    Drei Wochen blieb das Lager III/M geschlossen. Es wurde von der Außenwelt durch Postenketten abgeschlossen. Selbst die Lastwagen, die die Verpflegung brachten, wurden außerhalb des Lagerbereiches entladen. Der Kohl, das Brot, das Fleisch und das ranzige Fett wurden auf Handwagen in das Lager gefahren, gezogen von ausgesuchten Häftlingen, die keinerlei Verdacht auf eine Infektion in sich trugen.
    Leutnant Sergeij Polkatin hatte die vorgesetzten Stellen in Bacau angefleht, diesen Vorfall unter sich zu behalten.
    »Genossen, was gibt das für eine Schreiberei!« hatte er gejammert. »Und die Untersuchungen! Wie kommt es … warum habt ihr … wie konnte es möglich sein … Bis Moskau wird es gehen, Brüderchen … Eine Lawine wird über uns kommen und noch so manches aufdecken …«
    Dieser letzte Satz war maßgebend, daß man in Bacau eine Mauer des Schweigens um den Steinbruch von Tarcaului baute. Jede Behörde fühlte sich irgendwie schuldig gegenüber Moskau, denn wenn sich die oberste Führung einschaltet, wurde immer etwas gefunden, was zu beanstanden und falsch war. Dann gab es Strafversetzungen, Deportationen nach Sibirien, Degradierungen … Vielleicht entdeckte man dann auch, daß alle Abrechnungen der Distriktsowjets nicht stimmten, sondern Ausgabezahlen nannten, die gar nicht ausgegeben worden waren, daß einige hundert Gefangene Verpflegung und Kleidung erhielten, die schon längst tot waren. In den Listen lebten sie aber weiter … wo das Geld hinging … Genossen, es gibt im Leben sehr verschlungene Wege.
    Leutnant Polkatin stand oft am Bett Michaels und verfluchte ihn innerlich … nur an Cholera durfte er nicht sterben! Man wird diesen Hund, wenn er wieder gesund ist, in den Steinbruch stecken, dort, wo's am schwersten ist. Das ist ein natürlicher Weg, die Dankbarkeit für die unangenehme Situation, in die er das Lager gebracht hatte, abzustatten. Im Augenblick wurde er noch gebraucht … er sollte der Beweis werden, daß III/M frei von Seuchen sei … wenn er überlebte!
    Michael überlebte. Als er die ersten Schritte vor die Krankenbaracke setzte, erkannte er das Lager kaum wieder. Die Unterkünfte waren geweißt worden, die offenen Kloaken waren mit Steinhäusern umbaut. Alles sah sauber aus … nur die Kolonnen der Elendsgestalten, die jeden Morgen ausrückten und am Abend mit den mit Toten gefüllten Zeltplanen zurückkehrten, waren die gleichen geblieben.
    Drei Tage nach dem ersten Aufstehen wurde Michael von drei sowjetischen Ärzten gründlich untersucht. Sie schienen sehr zufrieden zu sein, gaben ihm eine Papyrossi und schickten ihn dann aus dem Zimmer. Leutnant Polkatin strahlte.
    »Nichts?« fragte er voreilig.
    »Von Cholera keine Spur mehr! Wir sind durch, Genossen!«
    Der Stabsarzt, der aus Bacau gekommen war, schloß mit einem erlösenden Schwung die Berichtsmappe. »Nur darf so etwas nie wieder vorkommen, Genosse Leutnant! Noch einmal läßt sich das nicht vertuschen. Wie konnte es überhaupt möglich sein, daß dieser Bursche Straßenwasser säuft? Ich denke, sie bekommen dreimal am Tag schwarzen Tee in den Steinbruch

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