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Der letzte Karpatenwolf

Der letzte Karpatenwolf

Titel: Der letzte Karpatenwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ertragen!«
    Die beiden Polizisten ergriffen Michael, zerrten ihn vom Stuhl und schleiften ihn aus dem Zimmer. Lupescu schaltete wieder die Lampen aus. Er rieb sich die Hände. Klug muß man sein, dachte er zufrieden. Vielleicht kommt auch mal wieder eine andere Zeit. Und eine Rückversicherung ist immer gut. Drei gute, klug angebrachte Taten wiegen mehr als tausend Gemeinheiten, wenn der Wind anders weht. Das ist nun mal so in der Politik, daß die Vergeßlichkeit untereinander das Sprungbrett neuer Aufstiege bildet. Wo bekäme man sonst die ganzen Politiker her, wenn man nicht manches vergessen würde –
    Oberst Boris Petrowitsch Sumjow war in bester Laune, als Lupescu ihm die beiden Gefangenen vorführte. Er hatte aus Bukarest die vertrauliche Nachricht bekommen, daß Moskau seine Abberufung aus Bacau erwäge, um ihn in Deutschland, in Ostberlin, in der großen westeuropäischen Spionagezentrale, einzusetzen. Das Leben in der Einsamkeit und dem ›Hintern der Welt‹, wie Sumjow Bacau nannte, schien ein Ende zu haben. Er hatte die ganzen Jahre tapfer auf diesem Posten ausgehalten, ohne zu murren, nur seine Wut über dieses Kommando an den Gefangenen auslassend, was ihm immer ein Sonderlob einbrachte. Nun schien das Warten Früchte zu tragen, herrliche Früchte sogar, denn was man so aus dem Land der Germanskijs hörte, war mehr als alle Wunder der Mongolei. Die verfluchten Reaktionäre lebten wie die Woiwoden, die deutschen Frauen waren wie aus Zuckerguß … beim schwarzen Ikon von Irkutsk, das würde ein Leben werden, in Berlin!
    In diese Glücksstimmung hinein platzte Jon Lupescu mit der Meldung: »Wir haben einen ehemaligen deutschen Soldaten erwischt!«
    »Schon wieder einen?!« schrie Sumjow. Er sprang auf, riß seine schwere Armeepistole aus dem Futteral und legte sie demonstrativ auf den Tisch. »Herein mit dem Kerl! Er wird ein Spion der Reaktionäre sein!«
    »Nein!« sagte Lupescu erbleichend. An diese Möglichkeit der Auslegung hatte er nicht gedacht. »Er ist mit einer Rumänin verheiratet und …«
    Oberst Sumjow wischte mit der Hand durch die Luft. »Das verstehst du nicht, Jon!«
    Michael stand hoch aufgerichtet in der Tür, als sie Lupescu öffnete. Mit drei Schritten war er im Raum und vor dem Schreibtisch des sowjetischen Obersten. Sumjow sah verwundert auf Michael und dann auf Lupescu.
    »Der kann ja noch gehen?!« sagte er verblüfft.
    »Ja«, stotterte Lupescu. »Ich habe ihn …«
    »Und stolz ist er auch noch?!« Sumjow ergriff die schwere Pistole und hob sie hoch. Er richtete sie auf Michaels Gesicht und brüllte: »Knie dich hin, du Hund! Dawai. Hinunter.«
    Lupescu stand bleich und zitternd an der Tür. Er sah, wie der Abzugsfinger Sumjows zitterte. Jetzt, dachte Jon. Jetzt drückt er ab.
    Oberst Sumjow schoß nicht. Er hielt den Lauf noch immer in den Nacken Michaels und stieß jetzt mit ihm zu. »Sprich«, sagte er laut. »Wie stark ist eure Truppe?«
    Michael starrte auf den Fußboden. Er war so nahe … gleich würde er mit dem Gesicht auf ihm liegen, und um seine blonden Haare herum würde sich das Blut ausbreiten.
    »Welche Truppe?« fragte er zurück.
    »Die Partisanen, du Schuft!« Sumjows Finger drückten den Lauf der Pistole stärker gegen den Nacken. »Wo du herkommst.«
    »Ich habe zwölf Jahre lang verborgen gelebt. Ganz allein. Ich habe Sonja geheiratet … sie hat mich aus Liebe über zehn Jahre verborgen gehalten. Ich habe nur nachts gehen können … ich habe gelebt wie ein Tier … nur weil ich eine Uniform trug, die ich nicht wollte, und weil ich eine Sprache spreche, in die ich hineingeboren wurde. Das ist meine ganze Schuld!«
    »Du bist ein Hitlersoldat! Ein Mörder der freien Völker.«
    »Ich war achtzehn Jahre alt, als der Krieg zu Ende ging. Ich habe das getan, was alle getan haben … auch Ihre Soldaten, Herr Oberst: Ich habe einem Befehl gehorcht, blindlings.«
    »Eben das ist ein Verbrechen!« schrie Sumjow.
    »Würden Sie einem Befehl widersprechen, der aus Moskau kommt?«
    Lupescu wurde noch bleicher. Der Junge redet sich um seinen Kopf, zitterte er. So etwas einem Russen zu sagen …
    Oberst Boris Petrowitsch Sumjow schob die Unterlippe vor. Über sein Gesicht zog eine Verblüffung und tiefe Nachdenklichkeit. Er zog die Pistole zurück und trat Michael in das Gesäß.
    »Steh auf und dreh dich 'rum.«
    Als sie sich in die Augen sahen, war es, als seien sie plötzlich keine Feinde mehr, sondern zwei Gefangene aus zwei verschiedenen Lagern. Ein stummes

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