Der letzte Mohikaner: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Duncan aber fuhr fort, mit ausdauerndem Eifer zu arbeiten. Vater und Sohn warfen jetzt ruhige, aber forschende Blicke aufeinander, um zu sehen, ob keiner durch das Feuer der Feinde verletzt worden sei; denn beide wussten wohl, dass kein Schrei oder Ausruf in einem solchen Augenblick der Not den Unfall hätte verraten dürfen. Einige große Tropfen Blutes rannen über die Schulter des Sagamoren herab, und als er sah, dass Uncas Blicke zu lange darauf verweilten, schöpfte er etwas Wasser in der hohlen Hand, um den Fleck damit zu waschen, und begnügte sich, den Sohn auf diese einfache Weise von der geringen Bedeutung der Wunde zu überzeugen.
»Gemach, gemach, Major!«, sagte der Kundschafter, welcher indessen seine Büchse wieder geladen hatte. »Wir sind schon ein wenig zu weit entfernt, als dass eine Büchse ihre Vorzüge entfalten könnte, und Ihr seht, die Schelme beraten sich soeben. Lasst sie auf Schussweite herankommen; ich darf mich wohl auf mein Auge verlassen! Sie sollen den ganzen Horican hinabgelockt werden, und ich will dafür stehen, dass keiner ihrer Schüsse im schlimmsten Falle mehr als die Haut streifen soll, während mein Killdeer zweimal in drei Schüssen ihnen ans Leben gehen soll.«
»Wir vergessen den Zweck unserer Reise«, entgegnete der besorgte Duncan. »Um Gottes Willen lasst uns diesen Vorteil benützen, um uns immer weiter von den Feinden zu entfernen.«
»Gebt mir meine Kinder!«, rief Munro mit unterdrückter Stimme, »treibt kein Spiel mit der Angst eines Vaters, gebt mir meine Kinder wieder!«
Seit langer Zeit geübte Achtung gegen die Befehle seiner Oberen hatte den Kundschafter die Tugend des Gehorsams gelehrt. Einen letzten, zaudernden Blick auf die entfernten Kanus werfend, legte er seine Büchse beiseite und ergriff, den ermüdeten Duncan ablösend, wieder das Ruder, das er mit Sehnen, die keine Erschöpfung kannten, regierte. Seine Anstrengungen wurden durch die Mohikaner unterstützt, und in wenigen Minuten war eine solche Wasserfläche zwischen ihnen und den Feinden, dass Heyward wieder freier atmete.
Der See dehnte sich jetzt weiter aus, und ihr Weg ging über weite Wasserräume, die, wie bisher, von hohen, rauen Felsen eingefasst waren. Die wenigen Inseln waren leicht zu vermeiden. Die Ruderschläge wurden abgemessener und regelmäßiger, während die Ruderer nach der hitzigen, gefahrvollen Verfolgung, von der sie sich kaum etwas erholt hatten, ihre Anstrengungen mit einer Kaltblütigkeit fortsetzten, als ob ihre bisherige Eile nur ein Spiel, nicht das Gebot dringender, ja verzweifelter Umstände gewesen wäre.
Statt dem westlichen Ufer zu folgen, wohin ihr Weg führte, steuerte der schlaue Mohikaner mehr auf die Berge zu, hinter welche, wie man wusste, Montcalm sein Heer nach der furchtbaren Festung Ticonderoga geführt hatte. Da die Huronen allem Anschein nach die Verfolgung aufgegeben hatten, so war scheinbar kein Grund für eine so übermäßige Vorsicht vorhanden. Dennoch dauerte es stundenlang, bis sie in eine Bucht am nördlichen Ufer des Sees gelangten. Hier wurde das Kanu ans Ufer getrieben, und alle stiegen ans Land. Falkenauge und Heyward bestiegen eine nahe Anhöhe, und jener, die weite Wasserfläche unter ihnen überschauend, machten diesen auf einen kleinen schwarzen Fleck aufmerksam, der in der Entfernung von mehreren Meilen unter einer Landspitze sichtbar war.
»Seht Ihr ihn?«, fragte der Kundschafter. »Für was würdet Ihr nun diesen Fleck halten, wenn Ihr mit Eurer Erfahrung als Weißer allein den Weg durch diese Wasserwildnis machen müsstet?«
»Nach der Entfernung und der Größe würd’ ich es für einen Vogel halten. Kann es etwas Lebendiges sein?«
»Es ist ein Kanu von guter Birkenrinde und wird von wilden, listigen Mingos gerudert. Obgleich die Vorsehung den Bewohnern der Wälder Augen verliehen hat, die in den Niederlassungen nutzlos wären, wo es künstliche Mittel gibt, die Sehkraft zu heben, so sind doch menschliche Organe außerstande, alle die Gefahren zu bemerken, von denen wir in diesem Augenblicke umgeben sind. Die Schelme tun, als dächten sie nur an das Abendmahl: Sobald es aber finster ist, sind sie, Spürhunden gleich, uns auf der Fährte. Wir müssen sie loswerden oder auf Renard Subtils Verfolgung verzichten. Diese Seen sind manchmal zu etwas gut, besonders wenn das Wild ins Wasser stürzt«, fuhr der Kundschafter fort, mit etwas besorgter Miene um sich blickend; »aber sie geben niemand Schutz, wenn nicht den Fischen.
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