Der letzte Polizist: Roman (German Edition)
»Weil du Polizist bist, du Pfeife.«
Drüben am Kaminsims gibt Culverson einen belustigten Laut von sich. Ich wünschte, ich wäre allein mit J.T., in einem Raum, nur er und ich, und er könnte mir die Geschichte erzählen. Einfach nur zwei Leute, die miteinander reden.
Toussaint, bewegungsunfähig unter McGullys Gewicht, schaut zu mir hoch. »Sie sind doch hergekommen, weil Sie denken, der Typ ist ermordet worden.«
»Ich habe gesagt, es sei Selbstmord gewesen.«
»Tja, nun, da haben Sie gelogen. Niemand untersucht Selbstmorde. Heutzutage jedenfalls nicht mehr.«
Culverson lässt erneut seinen belustigten Laut hören, und ich sehe ihn an, seine ironische Miene: gutes Argument . McGully klopft Zigarrenasche auf den Teppich des Verdächtigen.
Toussaint ignoriert sie alle beide, behält mich im Auge, spricht weiter. »Sie kommen her und suchen einen Mörder. Wenn ich Ihnen sage, dass Pete und ich Schmerztabletten genommen haben, werden Sie daraus schließen, dass ich ihn umgebracht habe. Stimmt’s?«
»Nicht unbedingt.«
Tabletten, denke ich. Sie haben Tabletten eingeworfen. Kleine, bunte Kapseln, deren wächserne Beschichtung sich in einer verschwitzten Handfläche ablöst. Ich versuche es mir vorzustellen, mein Versicherungsmensch, die schmutzigen Details von Missbrauch und Sucht.
» J.T. «, fange ich an.
»Spielt keine Rolle«, sagt er. »Ich bin sowieso tot. Ich bin erledigt.«
»Jawoll«, sagt McGully fröhlich, und ich zwinge ihn durch reine Willenskraft, die Klappe zu halten.
Denn ich glaube Toussaint. Wirklich. Ein Teil von mir glaubt ihm. Er hat mich aus demselben Grund belogen, aus dem Victor France seine kostbaren Stunden damit verbracht hat, in der Manchester Road herumzuschnüffeln und mir die Informationen zu beschaffen, die ich brauchte – weil heutzutage jede Anklage ernst zu nehmen ist. Jedes Urteil ist ein Todesurteil. Hätte er den wahren Charakter seiner Beziehung zu Peter Zell eingestanden, wäre er in den Knast gewandert und nicht mehr herausgekommen. Aber das ist noch kein Grund anzunehmen, dass er ihn ermordet hat.
»McGully. Lassen Sie ihn aufstehen.«
»Was?«, sagt McGully scharf. »Kommt gar nicht infrage.«
Instinktiv schauen wir beide zu Culverson hinüber; wir haben zwar alle denselben Rang, aber er ist der Erwachsene im Zimmer. Culverson nickt kaum merklich. McGully macht ein finsteres Gesicht, kommt aus der Hocke hoch wie ein Gorilla, der sich vom Dschungelboden erhebt, und tritt Toussaint auf dem Weg zu dem schäbigen Sofa ostentativ auf die Finger. Toussaint rappelt sich mühsam auf die Knie hoch, und Culverson sagt leise: »Das reicht.« Deshalb gehe ich ebenfalls auf die Knie, damit ich ihm in die Augen schauen kann, und lege eine einschmeichelnde, sanfte Freundlichkeit in meinen Ton, irgendwo in der Stimmlage meiner Mutter.
»Erzählen Sie mir auch den Rest.«
Langes Schweigen. »Er …«, setzt McGully an, und ich hebe eine Hand, ohne den Blick von dem Verdächtigen zu wenden, und McGully hält die Klappe.
»Bitte, Sir«, sage ich leise. »Ich will nur die Wahrheit wissen, Mr. Toussaint.«
»Ich hab ihn nicht umgebracht.«
»Das weiß ich«, und ich meine es ernst. In diesem Moment, in dem ich ihm in die Augen schaue, glaube ich nicht, dass er ihn umgebracht hat. »Ich will nur die Wahrheit wissen. Tabletten, haben Sie gesagt. Woher hatten Sie die?«
»Die waren nicht von mir.« Toussaint schaut mich verdutzt an. »Peter hat sie mitgebracht.«
»Wie bitte?«
»Die reine Wahrheit«, sagt er, denn er sieht meine Skepsis. Wir knien uns dort unten auf dem Boden gegenüber wie zwei religiöse Fanatiker, zwei Büßer.
»Wirklich, ich schwör’s«, sagt Toussaint. »Der Kerl steht mit zwei Pillenfläschchen vor meiner Tür, MS Contin, sechzig Milligramm pro Tablette, hundert Tabletten in jeder Flasche. Er sagt, er möchte die Drogen auf sichere und wirksame Weise einnehmen.«
»Das hat er gesagt?«, schnaubt McGully, der sich im Lehnstuhl niedergelassen hat, seine Waffe auf Toussaint gerichtet.
»Ja.«
»Sehen Sie mich an«, sage ich. »Erzählen Sie mir, was dann passiert ist.«
»Klar, sage ich, aber wir teilen sie uns.« Er schaut hoch, sieht sich um, seine zusammengekniffenen Augen blitzen vor Nervosität, Trotz und Stolz. »Was zum Teufel hätte ich denn tun sollen? Mein Leben lang hab ich gearbeitet – jeden Tag, seit ich von der Highschool abgegangen bin, hab ich gearbeitet. Und zwar aus einem sehr konkreten Grund, nämlich weil mein alter Herr
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