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Der Letzte Tag Der Schoepfung

Der Letzte Tag Der Schoepfung

Titel: Der Letzte Tag Der Schoepfung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Jeschke
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schlohweißen Haar. Sein nackter Oberkörper war braun gebrannt; er war nur mit ein paar ausgeblichenen Shorts und selbst gebastelten Sandalen bekleidet, deren Sohlen aus alten Autoreifen geschnitten waren. Jerome registrierte all diese Zeichen militärischen Niedergangs mit wachsendem Entsetzen.
    »Ich war der ranghöchste Offizier hier in der Westsenke«, fuhr der Kommandant fort, nachdem er ihnen auf einer grob gezimmerten Bank Platz angeboten hatte. »Wir haben die militärischen Ränge inzwischen längst abgeschafft, der Posten des Kommandanten ist mir geblieben.«
    Steve starrte unverwandt auf den linken Arm seines Gegenübers. Er war etwa zehn Zentimeter unterhalb des Ellbogengelenks amputiert worden, und der Stumpf bot einen schrecklichen Anblick. Er sah aus, als wäre er von einem Metzger mit einem Hackebeil abgetrennt und dann stümperhaft genäht worden. Die Wunde musste lange nicht geheilt sein, denn sie wies tiefe Löcher auf, grauschorfig wie schlecht abgebundener Zement.
    »Um die medizinische Versorgung war es am Anfang hier in der Tat schlecht bestellt«, sagte Harness, der Steves Blick bemerkt hatte. »Sie werden es in dieser Hinsicht besser haben.«
    Steve betrachtete angestrengt seine staubigen Stiefelspitzen und murmelte: »Entschuldigung, Sir.«
    Harness nahm keine Notiz davon. »Wenn Sie keine Malaria erwischen. Mit Medikamenten steht es schlecht.« Er lauschte nach hinten in den Nebenraum, wo aus einem Gerät lauter, aber sehr undeutlicher Funkverkehr zu hören war. »Sie dürfen den Container unter keinen Umständen aufsprengen!«, schrie er mit lauter Stimme in den Wortwechsel. »Solange wir nicht feststellen können, was sich darin befindet, auf keinen Fall … Wie alt? - Zweihundert Jahre? Dann muss es einer der Ersten gewesen sein, der runtergekommen ist. - Entschuldigen Sie«, fuhr er an sie gewandt fort. »Es ist für uns immer ein freudiges Ereignis, wenn wir irgendwo in der Senke einen Container ausgraben, der noch nicht von den Händlersöldnern geplündert worden ist.«
    »Sagten Sie zweihundert Jahre, Sir?«, fragte Jerome.
    »Ich sagte zweihundert Jahre.«
    »Es war von Streubreiten von sechs bis acht Jahren die Rede.«
    »Das mag für die schönen runden Testeier gegolten haben. Hier rieselt seit zweihundert Jahren Material vom Himmel. Als die ersten Trupps landeten, war ein großer Teil des Zeugs hoffnungslos verrottet und unbrauchbar.« Er nahm eine Liste zur Hand, hielt sie weit von sich und las ihre Namen ab. »Major Steve B. Stanley und Major Jerome Bannister, ausgeklinkt von der USS Thomas Alva Edison am 30. Juni 1986. Mein Gott, wie lange ist das her.«
    »Noch keine zwei Tage«, sagte Jerome.
    »Ja«, sagte Harness mit einem bitteren Lachen. Er klemmte mit dem Armstumpf die Liste auf der Tischplatte fest, strich mit einem Bleistiftstummel säuberlich ihre Namen durch und schrieb Ziffern dahinter.
    »Kann einer von euch beiden Linsen schleifen?«, fragte er. Steve und Jerome blickten einander ratlos an.
    »N-nein, Sir«, sagte Steve.
    »Das dachte ich mir. Sie hätten mir eine Brille schleifen müssen, meine Augen lassen in letzter Zeit sehr nach. Ich hoffe, Sie haben nützliche Kenntnisse in nicht militärischer Hinsicht, damit können Sie sich hier sehr begehrt machen. An Petrochemikern, Pipeline-Spezialisten und Geologen fehlt es allerdings nicht«, fügte er hinzu. Dann hob er den Blick und meinte: »Das Datum, das ich hinter ihre Namen auf der Liste eingetragen habe, ist nicht so fiktiv wie es den Anschein haben mag. Es ist jedenfalls realistischer als jede andere Zeitrechnung, die ich kenne, und Sie werden diese Realität möglicherweise selbst und in bitterer Weise am eigenen Leib erfahren. Sie befinden sich im Jahre 47 nach der ersten registrierten Landung. Unsere Gegner waren ein paar Jahrzehnte früher da und etwas besser ausgerüstet. Das ist unser Pech, sonst hätten wir mehr erreicht. Dies ist eine Tatsache, die man hätte vorhersehen und berücksichtigen können, wenn man nicht über die Maßen zuversichtlich gewesen wäre.«
    »Dann ist alles umsonst?«, fragte Jerome. »Und ein paar Milliarden Dollar und ein paar hundert Leute wurden buchstäblich zum Fenster hinausgeschmissen?«
    »Es handelt sich um einige hundert Milliarden Dollar und um knapp 3000 Menschen, von denen bisher etwa 280 durch Kampfhandlungen und durch Strahlenkrankheit ums Leben gekommen sind.«
    »Und wo sind die Leute alle?«, fragte Steve.
    »Die meisten sind auf die Bermudas gebracht

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