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Der letzte Werwolf

Der letzte Werwolf

Titel: Der letzte Werwolf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Duncan
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Magnum. Cloquet. Sie haben ihn befragt. Ich war dabei. Er
ist
dir gefolgt. Hat dich in Paris schon eine ganze Woche beobachtet.«
    Ich nippte an meinem Scotch. Die Bar war nur schummrig beleuchtet, dunkle Farben, weiche Möbel, eine sorgsam designte Atmosphäre wohlverdienten Luxus. Die langen weißen Waden einer mürrischen Brünetten, die mir mit übereinandergeschlagenen Beinen auf einem Barhocker gegenübersaß, lenkten mich kurz ab. Sie spielte mit einem Strohhalm in ihrem Cocktail. In der Filmversion würde ich hinübergehen und das Spiel mit einem Schachzug voller müder Brillanz eröffnen. Nur in Filmen ist die einsame Frau an der Bar auch tatsächlich die einsame Frau an der Bar. Der Gedanke fügte sich nahtlos in den mentalen Lärm ein, dessen ich so überdrüssig war. Jeder einzelne Hollywoodstreifen ist heutzutage Teil des Registers westlicher Ermüdung. Ich sah meinen Tod vor mir wie einen einsamen Menhir in einer leeren Landschaft. Man geht einfach darauf zu. So einfach ist das. Der Frieden, die Arme um einen kalten Stein schlingen zu können. Endlich Frieden.
    »Wozu?«, fragte ich.
    Ich hörte Harleys Malachit-Zippo schnicken und ihn gierig inhalieren. »Wir sind uns da nicht ganz sicher«, antwortete er. »Er behauptet, freier Agent mit einem Hass auf Werwölfe zu sein, aber er treibt es seit einem Jahr mit Jacqueline Delon, so einfach ist die Geschichte also wohl nicht. Das Problem ist, er ist ein wenig plemplem. Total high, als wir ihn schnappten. Farrell meinte zu mir, er hätte genug Koks bei sich gehabt, um ein Pferd zum Fliegen zu bringen. Meiner Meinung nach ist er selbst clean ein Borderliner. So oder so wäre Madame Delon die Letzte, die einen Angriff auf einen Werwolf anordnen würde. Sie liebt euch.« Er unterbrach sich. »Sorry, sorry, sorry. Falsche Wortwahl.«
    »Vergiss es.« Ich roch an meinem Scotch. Es sollte ein Oban sein, aber er roch irgendwie nicht richtig. »Was ist mit dem WOKOP -Agenten, der ihm gefolgt ist? Hast du mit dem gesprochen?«
    »Broussard«, erklärte Harley. »Der ist wieder in Frankreich. Ich hab nicht mit ihm gesprochen, aber Farrell. Er bestätigt die Geschichte: Er hat Cloquet im Auge behalten, hat seinen Einsatzbereich verlassen, hat bemerkt, dass Cloquet hinter
dir
her war, und uns ziemlich betreten hinzugerufen. Jake, ernsthaft, mach dir keine Sorgen. Mir geht’s gut. Uns geht’s gut. Keiner weiß was.«
    Ich hatte mein Zimmer verlassen, um Harley anzurufen, für den Fall, dass Ellis eine Wanze versteckt hatte, die ich nicht finden konnte, obwohl ich zwei Stunden lang gesucht hatte. Vielleicht litt ich wirklich unter Verfolgungswahn. So oder so war ich plötzlich müde, wurde niedergedrückt von den Satteltaschen voller
Wenns
und
Danns
, dem Diebesgut ungültiger Währungen. Ab und zu steigt ein innerer Gestank in mir auf von all dem Fleisch und Blut, das mir durch die Kehle gegangen ist, all den Innereien, in die ich meine Schnauze vergraben habe, all den Gedärmen, die ich durchwühlt und gefressen habe. Harleys frischer Ton erinnerte mich daran, dass wir die Dinge nicht auf dieselbe Weise sahen.
    »Also gut, hör zu«, fuhr er fort, so als könne er hellsehen. »Wir müssen das mit dir regeln. Ich werde eine Woche brauchen, dir einen sauberen Abgang zu verschaffen, vielleicht zehn Tage. Das ist blöd, ich weiß, aber unter diesen Umständen muss alles vierfach gecheckt werden. Ich finde –«
    »Harley, stopp.«
    »Jake, ich werde mich nicht wieder mit dir streiten.«
    »Schon komisch, oder, dass es nun dazu gekommen ist, wo wir doch schon immer wussten, dass es dazu kommen würde?«
    »Bitte nicht.«
    Man entwickelt ein Gespür dafür, die Stille die ganze schwere Arbeit machen zu lassen. In den drei, vier, fünf Sekunden, die vergingen, ohne dass wir etwas sagten, tauchten die vielen Wendungen auf, die diese Unterhaltung nehmen konnte, und vergingen wie Zeitrafferaufnahmen von aufgehenden und verblühenden Blüten. Als sie vorbei war, waren alle relevanten Informationen vorhanden. Paradoxerweise erneuerte das Schweigen auch unsere Übereinkunft, uns etwas vorzumachen.
    »Verdammt, Jake«, sagte Harley. »So wird das ablaufen. Ich werde dir so oder so zu einem Ausweg verhelfen. Wenn du dieses absurde Selbstmordmelodram immer noch durchziehen willst, wenn die Zeit gekommen ist, dann musst du ihn ja nicht annehmen. Aber er wird da sein. Er
wird
da sein.«
    Mitleid und Verärgerung wurden bitter, was mir verriet, wie viel Energie ich wohl brauchen

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