Der letzte Winter
Eine davon wurde nicht geöffnet. Sie klingelten an der Tür links. Susanna Jax sah auf ihre Armbanduhr. Es war fünf Minuten nach fünf. Draußen war es schon seit Stunden dunkel. Sie klingelte wieder. Auf dem Namensschild stand Schiöld.
»Das Ganze bringt doch nichts«, sagte Patrik Lennartsson.
In dem Augenblick wurde die Tür von einem Mann in ihrem Alter geöffnet, um die fünfunddreißig, vielleicht etwas jünger, vielleicht etwas älter. Er trug einen Morgenmantel. Das passt zum Haus, dachte sie. So was nannte man wohl Hausjacke.
Lennartsson stellte sich und Susanna Jax vor. Der Mann stellte sich als Herman Schiöld vor.
»Ich habe ja mitbekommen, dass etwas passiert ist«, sagte er.
»Prima«, sagte Lennartsson, »erzählen Sie bitte, was Sie gesehen haben.«
»Was zum Beispiel? Ich habe nichts gesehen. Was meinen Sie?«
»Irgendetwas.«
Schiöld schien nachzudenken. Er schaute zu der Tür, die durch weißblaue Bänder abgesperrt war. Susanna Jax sah, dass ihm der Anblick nicht gefiel. Die Bänder verschandelten das Treppenhaus.
Schiölds Blick kehrte zu ihr zurück. »Was ist eigentlich passiert?«
»Das wissen wir noch nicht genau.«
»Ist jemand ermordet worden?«
»Auf Details können wir nicht eingehen«, antwortete sie.
»Ist das ein Detail?«
Sie kam sich blöd vor. Das hatte sie nicht nötig, wirklich nicht. Der Mann in der Hausjacke sah sie mit einem ironischen Lächeln an. Sein Lächeln war unangemessen. Er sollte mehr Anteilnahme zeigen. Aber für ihn handelte es sich um Fremde. Alle in diesem Haus waren Fremde.
»Wann ist es eigentlich passiert?«, fragte er.
»Die Meldung ist am frühen Morgen vor drei Tagen eingegangen.«
»Um welche Zeit?«, fragte er.
»Um halb sechs.«
Er schaute wieder zu der Tür.
»Waren Sie zu Hause?«, fragte Lennartsson.
»Ja, aber ich habe geschlafen.«
Jetzt sah er wieder Susanna Jax an. Er schielte ein wenig, das andere Auge schien erneut zu der Tür im Treppenhaus zu gleiten.
»Aber vorher habe ich etwas gehört in der Nacht«, sagte er.
8
G erda Hoffner rief Alexander Hedberg an. Er hatte gerade seinen Dienst beendet und sie erwischte ihn im staatlichen Schnapsladen. Das gestand er sofort.
»Ich habe zwei Tage frei«, sagte er.
»Du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen, wenn du Alkohol kaufst, Alexander.«
»Wein, nicht ganz billig. Unsere Herrenrunde will eine Weinprobe veranstalten.«
»Hast du die Weinflasche in der Wohnung in der Götabergsgatan gesehen? Deswegen rufe ich an. Hast du die Weinflasche in der Küche gesehen?«
»Ja … ich glaube schon.«
»Du bist nicht ganz sicher?«
»Nein. Warum fragst du?«
»Ich weiß es nicht. Es geht mir nicht aus dem Kopf. Ich bin anscheinend die Einzige, die in beiden Wohnungen gewesen ist. Da gibt es Ähnlichkeiten. Wie die Weinflaschen in der Küche. Gemälde. Und die Bücher. Ist dir aufgefallen, dass die Bücher auf den Nachttischen sehr ordentlich gestapelt waren?«
»Nein, das kann ich nicht behaupten.«
»Okay.«
»Da musst du wohl mit der Spurensicherung und denen von der Fahndung reden.«
»Ich weiß nicht recht, Alexander.«
»Warum nicht?«
»Ich will mich nicht blamieren.«
Er lachte auf. »Wenn du davor Angst hast, hast du den falschen Job.«
»Meinst du?«
»Die Polizei blamiert sich ziemlich häufig, findest du nicht? Jedenfalls in den Augen der Allgemeinheit.«
»Hier geht es nicht um die Sicht der Allgemeinheit.«
»Um wessen Sicht geht es denn?«
»Tja …«
»Möchtest du selber Fahnder werden, Gerda? Geht es darum?«
»Ich weiß es nicht. Nein. Willst du jetzt nicht deinen Wein kaufen?« Sie sah auf ihre Armbanduhr. »Es ist drei Minuten vor sechs. Bald lassen sie dich nicht mehr raus. Dann musst du die Nacht im Schnapsladen verbringen.«
»Funktioniert das so?«
»Beeil dich«, sagte sie, »und vielen Dank.«
Bent Mogens empfing Louise Carlix, Gloria Carlix’ Mutter. Sie war groß, aber ihr Körper war zusammengesunken vor Trauer.
»Mein Mann hat eine Lungenentzündung«, sagte sie. »Er konnte nicht kommen.«
Mogens nickte.
Louise Carlix brach in Tränen aus.
»Kann ich etwas für Sie tun?«, fragte Mogens. »Eine Tasse Kaffee? Ein Glas Wasser?«
Sie schüttelte den Kopf, nahm ein Taschentuch aus ihrer Handtasche und putzte sich diskret die Nase. Sie sah auf.
»Es ist furchtbar«, sagte sie. »Es ist wie ein Alptraum.« Sie schnaubte wieder in das Taschentuch. »Am liebsten … wäre man selber tot.« Sie steckte das Taschentuch in
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