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Der letzte Winter

Titel: Der letzte Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Åke Edwardson
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waren selbst einmal Kinder gewesen. Vielleicht erinnerten sich einige von ihnen noch an Reste dessen, was sie verdrängt hatten. Weggesoffen hatten, sobald sie Gelegenheit dazu bekamen. Manche nannten das Selbstmedikamentierung. Manchmal war die Behandlung schlimmer als die Ursache.
    »Die treiben es mal wieder ziemlich wild«, sagte Linnea Barkner. Ihre Stimme klang sanft, ohne Arroganz, Hass oder Verachtung. Es war nur eine Feststellung.
    »Es sind unsere Nachbarn«, sagte Stig Barkner. »Man gewöhnt sich daran.«
    »Die kommen nie hier herauf«, fügte Linnea Barkner hinzu.
    »Und wir gehen nie zu ihnen hinunter«, sagte ihr Mann. Vielleicht spielte der Schatten eines Lächelns um seine Mundwinkel.
    Gute Nachbarschaft, dachte Fredrik Halders. Wie im alten Nueva.
    »Einige haben wir schon gesehen, da waren sie noch Kinder«, sagte Linnea Barkner und zeigte mit dem Kopf auf die fröhliche Szene.
    »Dann sind also manche auf dem Campingplatz aufgewachsen?«, fragte Aneta Djanali.
    »Ja.« Linnea Barkner wandte sich ihr zu. »So kann’s gehen in diesem Land, ist das nicht merkwürdig?«
    »Ich sehe keine Kinder«, sagte Aneta Djanali.
    »Es gibt auch jetzt Kinder. Aber Weihnachtsmänner habe ich nicht so oft gesehen«, sagte Stig Barkner. »Das mag daran liegen, dass wir Weihnachten normalerweise in Spanien feiern.«
    Klar, dachte Aneta Djanali. Dort kann man die Eigenarten Schwedens besser ertragen. Alles wird etwas erträglicher aus der Ferne. Es erweitert die Perspektive. Aber manchmal ist es umgekehrt. Wer im Ausland wohnt, hat eine engere Perspektive oder gar keine. Vielleicht sind die Golfplätze im Weg. Es gibt so viele, und sie sind so groß.
    »Haben Sie mit Madeleines Eltern gesprochen?«, fragte Halders.
    »Natürlich«, sagte Stig Barkner. »Wir haben schon von Spanien aus angerufen. Als wir es … erfahren haben. Und hier haben wir uns getroffen. Sie wohnen nicht weit von uns entfernt, in Hovås. Sie können nicht glauben, dass Martin … so etwas tun könnte. Niemals.« Er verstummte. Er schien nachzudenken. Dann schaute er auf. »Dafür bin ich dankbar.«
    »Wer sollte so etwas glauben?«, sagte Linnea Barkner. »Es ist doch selbstverständlich … von seiner Unschuld überzeugt zu sein.«
    »Nicht unbedingt«, sagte Fredrik Halders. »Manchmal ist es umgekehrt.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Sie sind das sicher schon gefragt worden, aber ich frage noch einmal. Kennen Sie einen jungen Mann, der Erik Lentner heißt?«
    Stig und Linnea Barkner sahen sich an.
    »Ist Ihnen der Name bekannt?«, fragte Halders. »Kennen Sie Erik Lentner? Oder seine Eltern? Sie heißen Mats und Ann.«
    »Nein, eigentlich nicht …«, sagte Stig Barkner. »Den Namen haben wir wohl gelesen. Aber sie haben nicht in Nueva gewohnt.«
    »Sie hatten auch ein Haus an der Costa del Sol. Oder eine Wohnung, in Marbella.«
    Wieder tauschten Stig und Linnea Barkner einen Blick.
    »Die Eltern der jungen Frau heißen Stefan und Louise Carlix«, sagte Aneta Djanali. »Ist Ihnen der Name bekannt?«
    »Nein«, antwortete Stig Barkner.
    »Die ermordete Tochter heißt Gloria Carlix.«
    »Der Name sagt mir nichts«, antwortete Stig Barkner.
    »Carlix’ hatten auch ein Haus an der Costa del Sol.«
    »Herr im Himmel«, sagte Linnea Barkner. »Was geht hier vor?«
    »Da unten haben sich viele Göteborger angesiedelt«, sagte Stig Barkner. »Daran ist nichts Ungewöhnliches. Da läuft man sich halt über den Weg. Aber das ist bald wieder vorbei.«
    »Wie meinen Sie das?«, fragte Halders. »Was ist bald vorbei?«
    »Alles.« Stig Barkner machte eine Handbewegung, als würde dieses »alles« das Haus, den Campingplatz, das Meer und das Ufer einschließen. »Da unten wird es langsam zu heiß und zu trocken. Im August und September ist es unmöglich, sich vor elf Uhr abends draußen aufzuhalten.«
    »Dann müssen sie nachts Golf spielen«, sagte Fredrik Halders.
    »Das machen die tatsächlich.«
    »Glauben Sie, das hängt mit der zunehmenden Trockenheit zusammen?«, fragte Halders. »Brauchen die Golfplätze nicht viel Wasser?«
    »Da bin ich sicher. Aber ich spiele kein Golf.«
    »Kann man das vermeiden?«
    »Mit ein bisschen Anstrengung, ja.«
    Halders hielt Barkners Kommentar für Humor, trockenen Humor. Halders sah die Landschaft in seiner Phantasie vor sich. Meer, eine verdammt große Steinwüste und eine verdammte Menge Golfplätze wie grüne Wunden in der roten Erde.
    »Was wissen Sie über die Familie Lentner?«, fragte Aneta

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