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Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht

Titel: Der Liebe Boeser Engel - Schuld Verjaehrt Nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ruth Rendell
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gern tat, was er sagte, seine altklugen kleinen Bemerkungen. Sie sprach von London und davon, wie fremd ihr und ihrem Sohn Stowerton war. Endlich schwieg sie, den Blick auf sein Gesicht geheftet, doch das Unbehagen, das ihr kindlich vertrauter Blick zuerst bei ihm ausgelöst hatte, war von ihm abgefallen und kehrte auch nicht zurück, als sie mit einer raschen, impulsiven Geste seine Hand ergriff und sie festhielt.
    Das Unbehagen war weg, aber die Berührung elektrisierte ihn. Sie versetzte ihm einen derartigen Schock und wühlte ihn so auf, daß statt der normalen Reaktion eines normalen Mannes, der die Hand einer hübschen Frau in der seinen hält, das Gefühl bei ihm aufkam, sein ganzer Körper hielte ihren. Er erschauerte. Er löste seine Finger und sagte, abrupt das inzwischen lastende und dumpfe Schweigen brechend: »Sie stammen aus London. Warum leben Sie hier?«
    »Es ist ziemlich scheußlich, nicht?« Alles Rauhe und alles Grauen waren aus ihrer Stimme verschwunden, und einmal mehr klang sie sanft und wohltönend. Obwohl er gewußt hatte, daß sie auf seine Frage antworten und also sprechen mußte, erregte ihn ihre schöne Stimme, die sich jetzt ganz normal anhörte, beinah so wie die Berührung ihrer Hand. »Eine gräßliche Last von einem Haus«, sagte sie.
    »Das geht mich nichts an«, murmelte er.
    »Es ist aber auch kein Geheimnis. Ich wußte nicht mal, daß ich diese Tante habe. Sie ist vor drei Jahren hier gestorben und hat meinem Vater das Haus hinterlassen, aber der war selbst schwer krebskrank.« Mit einer eigenartig graziösen, doch gleichzeitig unprätentiösen Bewegung hob sie die Hand und strich sich die Haarfülle aus dem Gesicht. Der weite, bestickte Ärmel ihres fremdartigen Gewandes rutschte hoch, und die Haut ihres bloßen weißen Armes schimmerte wie blaßgoldene Daunen im Lampenlicht. “Ich habe versucht, das Haus für meinen Vater zu verkaufen, aber niemand wollte es haben, und dann starb er, und Matthew - mein Mann - hat mich verlassen. Wo hätte ich sonst hingehen sollen als hierher? Die Miete für unsere Wohnung konnte ich nicht mehr aufbringen, und Matthews Geld war alle.« Es schien Stunden, seit diese Augen begonnen hatten, ihn zu fixieren, jetzt endlich wandte sie den Blick ab. »Die Polizei dachte«, sagte sie sehr leise,”Matthew hätte John vielleicht mitgenommen.«
    »Ich weiß. Das müssen wir immer überprüfen, wenn ein Kind von - äh - getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern vermißt wird.«
    »Sie sind zu ihm gegangen oder haben es zumindest versucht. Er liegt nämlich im Krankenhaus. Blinddarmoperation. Ich glaube, sie haben mit seiner Frau gesprochen. Er hat wieder geheiratet, wissen Sie.«
    Burden nickte. Es war mehr als die normale Neugier des Polizisten, die ihn sich leidenschaftlich fragen ließ, ob dieser Matthew sich hatte von ihr scheiden lassen oder sie sich von ihm, was er beruflich machte und wie überhaupt alles zugegangen war. Er konnte sie nicht fragen. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Sie rückte näher an ihn heran, griff aber diesmal nicht nach seiner Hand. Ihr Haar verdeckte ihr Gesicht. “Ich möchte Ihnen sagen, wie sehr Sie mir geholfen haben. Was Sie mir für eine Stütze waren. Wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre ich heute abend völlig zusammengebrochen. Ich hätte wahrscheinlich etwas Entsetzliches getan.«
    »Sie dürfen nicht allein bleiben.«
    »Ich habe meine Schlaftabletten«, sagte sie. »Und Mrs. Crantock kommt um zehn.« Langsam stand sie auf und knipste die Stehlampe an. »Sie wird jeden Moment hiersein, es ist fünf vor.«
    Ihre Worte und die plötzliche Helligkeit brachten Burden mit einem Ruck in die Wirklichkeit zurück. Er blinzelte und schüttelte sich.
    »Fünf vor zehn? Mir fällt eben ein, daß ich mit meiner Familie heute ins Kino gehen sollte.«
    »Und ich habe Sie davon abgehalten? Möchten Sie anrufen? Bitte tun Sie es. Rufen Sie von hier aus an.«
    »Zu spät, fürchte ich.«
    »Das tut mir furchtbar leid.«
    “Ich glaube, mein Hiersein war wichtiger, meinen Sie nicht?«
    »Es war wichtig für mich. Aber jetzt müssen Sie gehen. Kommen Sie morgen wieder? Ich meine, Sie selbst?«
    Er stand in der Tür, während sie sprach. Sie legte ganz leicht die Hand auf seinen Arm, und sie standen dicht zusammen, ihre Gesichter höchstens dreißig Zentimeter voneinander entfernt. »Ich - ja... Ja, natürlich.« Er stammelte schlimm. »Natürlich komme ich.«
    »Inspector Burden... Nein, ich kann Sie nicht weiter so

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