Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers

Titel: Der Liebespaar-Mörder - auf der Spur eines Serienkillers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbot
Vom Netzwerk:
Stimme den Geschworenen zu. »Das sind alles schlecht zusammengeschusterte Erzählungen!« Als Reichenstein ankündigte, noch »einige Widersprüche« in Bünings Aussagen zum Überfall auf das Liebespaar im Meererbusch aufzeigen zu wollen, unterbrach ihn Dr. Näke: »Angeklagter, ich mache Sie darauf aufmerksam, dass diese Punkte bereits von Ihren Verteidigern vorgetragen worden sind. Das sollte genügen.« Reichenstein war beleidigt. »Ich kann auch darauf verzichten«, antwortete er schnippisch, ohne den Vorsitzenden eines Blickes zu würdigen. Dann setzte er sich.
    Fritz Büning erhob sich und sagte ohne erkennbare Erregung nur zwei Sätze: »Ich habe in allen Punkten die reine Wahrheit gesagt und in keinem Fall übertrieben. Ich bitte deshalb um das Verständnis des Gerichts.«
    Mancher sprach es aus auf dem Wandelgang vor dem Schwurgerichtssaal, andere mochten es gedacht haben, als der Tag zur Neige ging und die letzten Aktendeckel zugeklappt wurden: »Hier möchte ich nicht Geschworener sein!« Eine Frau und fünf Männer als Laien- und drei Juristen als Berufsrichter mussten binnen drei Tagen zu einem Urteil kommen, das den Angeklagten, den krassen Gegensätzen von Anklage und Verteidigung gerecht werden würde. Lebenslänglich oder Freispruch? In den wesentlichen Anklagepunkten durfte es keine andere Entscheidung geben. Alles drehte sich um zwei Kernfragen: Wie glaubwürdig waren Bünings Aussagen? Und wie stichhaltig waren die Indizien gegen Reichenstein?

42
    Im Jahre 1930 schrieb Max Alsberg in seinem Vorwort zur ersten Auflage des juristischen Standardwerks Der Beweisantrag im Strafprozeß auch heute noch Bedeutsames: »Für keines der verschiedenen Rechtsgebiete läßt sich der Satz vertreten, daß seine Grundprobleme von einer auch nur annähernd zu koordinierenden Bedeutung seien. Auf keinem Rechtsgebiet ragt aber ein einzelnes Problem so hervor, wie auf dem Gebiet des Strafprozesses das Beweisproblem. Es ist schlechthin das Zentralproblem des Strafprozesses und als ein prozessuales Problem zugleich ein einzigartiges.« Auch die jüngere Kriminal- und Justizgeschichte Deutschlands ist reich an Irrtümern und Fehlurteilen.
    Fall 1:
    Eine mysteriöse Mordserie verbreitete Angst und Schrecken in der schwäbischen Provinz. Nacheinander kamen drei Männer ums Leben – jeweils auf abgelegenen Parkplätzen, jedes Mal durch Kopfschuss aus nächster Nähe und exakt im Abstand von sieben Monaten.
    Im Mai 1984 wurde an der Zufahrt zu der Kläranlage »Häldenmühle« bei Marbach die Leiche eines 47-jährigen Handelsvertreters aus Aschaffenburg gefunden. Drei Tage vor Heiligabend 1984 stolperte ein Jogger auf dem Waldparkplatz »Rohrtäle« in der Gemarkung Murr über den mit Laub bedeckten Leib eines 37 Jahre alten Engländers, der in Nürnberg gelebt und dort als Ingenieur in einem Chemiebetrieb gearbeitet hatte. Und im Juli 1985 entdeckten Arbeiter wieder auf einem Waldparkplatz, diesmal zwischen Flein und Ilsfeld im Kreis Heilbronn, den Leichnam eines 26-jährigen Elektrikers aus dem benachbarten Beilstein-Schmidhausen. Der Mörder hatte das Opfer unter einer Plastikplane versteckt.
    Die Autos der Ermordeten tauchten alsbald an anderen Tatorten wieder auf – als Fluchtfahrzeuge bei Raubüberfällen auf ländliche Bank-Filialen in der Region. Weil der Täter stets mit einem schweren Vorschlaghammer die Sicherheitsverglasung der Bankschalter zertrümmerte, hatte der geheimnisvolle Unbekannte bei den verstörten Bürgern einen Namen: »Hammermörder«. Dass das wuchtige Werkzeug gar nicht die Mordwaffe war, spielte keine Rolle.
    Da weitere Gewalttaten zu befürchten waren, wurde die sechzig Beamte starke Sonderkommission »Hammer« eingerichtet. Unter Berücksichtigung aller drei Tatkomplexe wurden die Personenbeschreibungen von den als »bedeutsam« eingestuften Zeugen ausgewertet und zu einem »Täterraster« verdichtet:
    »(…)
    Alter: 25 – 30 Jahre
    Größe: 175 – 185 cm
    Gestalt: schlank, sportl. Erscheinung
    Gesichtsform: schmal, hager
    Haare: dunkelblond bis dunkelbraun, kurz bis mittellang, wellig
    Augenfarbe: braun
    Gesichtsfarbe: gebräunt
    Sprache: spricht schwäbisch
    Stimme: freundlich und sympathisch
    Besonderheiten: linker Fuß möglicherweise schräggestellt.«
    Den Beruf des Mörders glaubten die Ermittler auch zu kennen: »Täter ist Polizeibeamter.« In allen Fällen war nämlich dieselbe Pistole »Walther P 5« verwendet worden, die Standard-Dienstwaffe der baden-württembergischen

Weitere Kostenlose Bücher