Der Liebesschwur
Sitz hin und her und hielt die Zügel fest in den Händen. Er wollte nicht einmal über diese Fragen nachdenken. In der Tat weigerte er sich, sie überhaupt zu stellen. Wenn sie eine solche Haltung einnehmen konnte, dann konnte er das auch.
Sie würde ihn heiraten – sie würde seine Frau werden. Er musste sie nur noch davon überzeugen, dass sie keine Alternative hatten.
Der erste Schritt war, den Grund für ihre unerklärliche Haltung herauszufinden, warum sie es ablehnte, ihn zu heiraten. Während der Zweispänner weiterrollte, in einem Tempo, dass die Kutschen hinter ihnen den Anschluss nicht verloren, kämpfte er mit Möglichkeiten, Patience' Problem herauszufinden, das mittlerweile auch zu seinem Problem geworden war.
Sie hielten kurz in Harpenden an, um etwas zu essen. Sowohl Patience als auch Timms verbrachten ihre Zeit damit, sich um Minnie zu kümmern, die sich noch immer nicht wohl fühlte. Bis auf eine leise Frage nach Gerrards Wohlbefinden hatte Patience keine Zeit für ihn. Er beschwichtigte ihre schwesterliche Sorge, ließ sie zu Minnie zurückkehren und unterdrückte alle Gedanken daran, sie in seinem Zweispänner mitzunehmen. Minnies Bedürfnisse gingen vor.
Ihre Kavalkade machte sich wieder auf den Weg, Gerrard lehnte sich zurück und betrachtete alles voller Neugier. »So weit südlich bin ich noch nie gewesen.«
»Oh?« Vane ließ seine Pferde nicht aus den Augen. »Wo genau liegt denn Ihr Zuhause?«
Gerrard sagte es ihm, beschrieb das Tal am Rand von Chesterfield und setzte seine Worte wie Pinselstriche. Vane hatte keine Schwierigkeiten, es in Gedanken vor sich zu sehen. »Wir haben schon immer dort gelebt«, schloss Gerrard seinen Bericht. »Patience erledigt die meisten Dinge dort, aber sie hat mir im letzten Jahr beigebracht, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen.«
»Es muss sehr hart gewesen sein, als Ihr Vater so unerwartet starb – schwierig für Ihre Mutter und auch für Patience, sich um alles kümmern zu müssen.«
Gerrard zuckte mit den Schultern. »Nicht wirklich. Sie haben damals das Gut schon seit Jahren geleitet – zuerst Mama und dann Patience.«
»Aber …« Vane runzelte die Stirn. Er warf Gerrard einen schnellen Blick von der Seite zu. »Sicher hat Ihr Vater das Gut geleitet?«
Gerrard schüttelte den Kopf. »Es hat ihn nie interessiert. Nun ja, er war nie da. Er ist gestorben, als ich sechs Jahre alt war, und ich konnte mich schon damals kaum an ihn erinnern. Ich kann mich wirklich nicht daran erinnern, dass er mehr als nur ein paar Nächte geblieben ist, wenn er uns besucht hat. Mama hat immer gesagt, er zöge London und seine Freunde in London vor – er ist nicht sehr oft nach Hause gekommen. Das hat sie sehr traurig gemacht.«
Sein Blick wurde trüb bei der Erinnerung. »Sie hat immer versucht, ihn für uns zu beschreiben, wie gut er ausgesehen hat, was für ein Gentleman er war, wie gut er ritt, wenn er mit den Hunden jagte, wie elegant er die Kleidung eines Gentleman trug. Wann immer er kam, wenn auch nur für ein paar Tage, war sie bemüht, uns zu zeigen, wie beeindruckend er war.« Gerrard verzog das Gesicht. »Aber ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wie er überhaupt ausgesehen hat.«
Ein eisiger Schauer rann Vane über den Rücken. Wenn Gerrard mit seiner lebhaften visuellen Vorstellungskraft sich nicht mehr an seinen Vater erinnerte, so sprach das Bände. Doch es war ungewöhnlich für einen Gentleman vom Stand seines Vaters, wenn er sich gegenüber seiner Familie so benahm, wie es Reginald Debbington getan hatte, und es war auch kein Verbrechen. Vane kannte das. Aber er war noch nie zuvor den Kindern eines solchen Mannes so nahe gewesen, hatte noch nie zuvor Grund gehabt, den Kummer und Zorn zu begreifen, den sie fühlten – Kummer und Zorn, die die benachteiligten Kinder eigentlich gar nicht fühlen sollten, wegen dem, was ihr Vater ihnen nicht gegeben hatte. All das waren Dinge, die seine eigene Familie, die Cynsters, für wichtig erachteten, alles, für das sie standen: Familie, Heim und Herd. Besitzen und Bewahren , das war das Motto der Cynsters. Das Erste zog das Zweite nach sich – und das war etwas, das alle männlichen Cynsters schon in ihren frühen Jahren begriffen. Man wollte etwas haben, man bekam es – und dann übernahm man die Verantwortung dafür. Aktiv. Wenn es um die Familie ging, waren die Cynsters sehr aktiv.
Während der Zweispänner immer weiterholperte, versuchte Vane zu begreifen, was Gerrard beschrieben hatte –
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