Der Liebesschwur
sehr gewissenhafter Gentleman. Er interessierte sich für das Theater. Da Patience keines der aktuellen Theaterstücke gesehen hatte, lauschte sie ihm aufmerksam.
Dann entdeckte sie Vane, der sich mit einer jungen Schönheit unterhielt. Das Mädchen war umwerfend, mit üppigen blonden Haaren, und es war offensichtlich, dass ihr schlichtes Kleid aus blasser blauer Seide unverschämt teuer gewesen sein musste.
»Ich denke, Sie werden feststellen, dass die Vorstellung im Theatre Royal einen Besuch wert ist«, meinte Mr. Aubrey-Wells.
Patience konnte den Blick nicht von dem Bild auf der anderen Seite des Raumes lösen und nickte abwesend.
Die Schönheit sah sich um, dann legte sie die Hand auf Vanes Arm. Er sah hinter sich, dann griff er nach ihrer Hand. Schnell führte er sie zu einer Doppeltür, öffnete die Tür, schob sie hindurch und folgte ihr.
Und schloss die Tür hinter sich.
Patience erstarrte, alles Blut wich aus ihrem Gesicht. Abrupt sah sie Mr. Aubrey-Wells wieder an. »Im Theatre Royal?«
Mr. Aubrey-Wells nickte – und fuhr in seinem Vortrag fort.
»Hm.« Neben Patience nickte Gabriel Demon zu, dann deutete er mit dem Kopf auf die schicksalhafte Tür. »Das sieht ernst aus.«
Patience' Herz sank.
Demon zuckte mit den Schultern. »Ich würde behaupten, wir werden später davon erfahren.«
Mit diesen Worten wandten sich beide Patience zu. Doch deren Blicke hingen fest an Mr. Aubrey-Wells. Sie wiederholte seine Bemerkungen, als hätte sie nur noch das Theater im Kopf. In Wirklichkeit war ihr Kopf voll von Cynsters, und ganz besonders von einem.
Elegante Gentlemen, das waren sie alle. Und ganz besonders einer.
Sie hätte das niemals vergessen dürfen, sie hätte niemals ihre Sinne vor der Wirklichkeit verschließen dürfen.
Aber sie hatte noch nichts verloren, denn sie hatte nichts gegeben, was sie nicht hatte geben wollen. Von Anfang an hatte sie so etwas erwartet. Mit Mühe unterdrückte sie einen Schauer. Sie hatte sich umgeben gefühlt von Wärme und Lachen, doch jetzt drang die Enttäuschung bis in ihre Knochen und ließ das Mark erstarren. Und was ihr Herz betraf, es war so kalt, dass sie sicher war, es würde jeden Augenblick zerbrechen.
Ihr Gesicht fühlte sich genauso an.
Sie ließ die Worte von Mr. Aubrey-Wells an sich vorüberrauschen und fragte sich, was sie tun sollte. Wie eine Antwort entdeckte sie plötzlich Gerrards Gesicht vor sich.
Er lächelte sie an, dann lächelte er vorsichtig auch ihren Begleiter an.
Hilfesuchend griff Patience nach ihm. »Mr. Cynster, Mr. Cynster und Mr. Aubrey-Wells – mein Bruder, Gerrard Debbington.«
Sie gab den Männern einen Augenblick Zeit, um einander zu begrüßen, dann lächelte sie ein wenig zu strahlend. »Ich sollte mich jetzt wirklich um Minnie kümmern.« Mr. Aubrey-Wells sah sie verwirrt an, und sie strahlte ihn noch freundlicher an. »Meine Tante, Lady Bellamy.« Sie nahm Gerrards Arm, dann lächelte sie noch einmal strahlend. »Wenn Sie uns bitte entschuldigen würden.«
Sie alle verbeugten sich, Gabriel und Demon noch anmutiger als Mr. Aubrey-Wells. Innerlich biss Patience die Zähne zusammen und schob Gerrard weg. »Wage es nicht, dich jemals so zu verbeugen.«
Gerrard sah sie verwirrt an. »Aber warum denn nicht?«
»Ach, lass nur.«
Sie mussten zurück durch die Menschenmenge, die im Augenblick am dichtesten war. Das Essen war noch nicht serviert, und mittlerweile waren alle gekommen, und noch niemand war gegangen.
Um zu Minnies chaise zu gelangen, mussten sie an der Doppeltür vorbei, durch die Vane und die Schönheit verschwunden waren. Patience hatte die Absicht gehabt, daran vorbeizugehen, mit der Nase hoch in der Luft. Doch als sie der unschuldig aussehenden Tür näher kam, wurden ihre Schritte langsamer.
Und als sie dann ein paar Schritte vor der Tür stehen blieb, sah Gerrard sie fragend an. Patience brauchte einen Augenblick, bis sie ihm in die Augen sehen konnte.
»Geh du nur allein weiter.« Sie holte tief Luft und reckte sich dann. Mit zusammengepressten Lippen nahm sie die Hand von seinem Arm. »Ich möchte vorher noch etwas erledigen. Kannst du Minnie zum Essen führen?«
Gerrard zuckte mit den Schultern. »Natürlich.« Er lächelte, dann ging er weiter.
Patience sah ihm nach – dann wandte sie sich auf dem Absatz um und ging zu der Doppeltür. Sie wusste ganz genau, was sie tat – selbst wenn sie nicht einen klaren Gedanken fassen konnte in dem Nebel des Zorns, der in ihrem Kopf wogte. Wie konnte Vane
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