Der lockende Ruf der grünen Insel: Roman (German Edition)
an ihrem Hals und wandte sich dann wieder ab. »Das ist die Spirale des Lebens«, sagte er.
Vielleicht war es der nüchterne Tonfall seiner tiefen Stimme oder vielleicht auch die kalte Brise, doch seine Worte trafen Danni wie ein Schlag. Als ihr Vater von Leben, Tod und Wiedergeburt gesprochen hatte, hatte sie das interessant gefunden - doch jetzt, da sie neben Sean herging, nahm die Spirale des Lebens eine ganz neue Bedeutung an. Danni schluckte krampfhaft. »Colleen wusste, dass wir kommen würden«, beharrte sie.
»Aye.«
»Glaubst du, dass sie mehr als das weiß? Zum Beispiel was als Nächstes geschehen wird?«
»Weißt du es?«, versetzte Sean und sah sie aus dem Augenwinkel an.
Darauf zog Danni nur die Schultern hoch, obwohl ein starkes Schuldbewusstsein sie beschlich. Sie hatte ihm vorgeworfen, sie zu belügen, aber tat sie das nicht auch, indem sie ihm Informationen vorenthielt, nur weil sie fürchtete, alleingelassen zu werden?
»Ich habe nicht den Schimmer einer Ahnung, was deine Großmutter tut oder was sie weiß.«
»Danach habe ich auch nicht gefragt.« Er blieb stehen und hielt Danni am Arm zurück. »Ich meinte, ob du weißt, was als Nächstes kommt?«
»Wie könnte ich das?«, gab sie irritiert zurück.
Sie spürte seinen Blick auf sich, hielt aber ihr Gesicht von ihm abgewandt, weil sie ihn nicht tiefer blicken lassen wollte, als ihr lieb war. Er hatte ihr diese Frage schon gestern Abend gestellt, in ihrer Küche, bevor ... sie durch ein Loch in der Zeit gefallen waren. Aber sie wusste wirklich nicht, wie es weiterging. Das Einzige, was sie wusste, war, dass alles mit Seans Tod und dem seines Vaters und der Zerstörung ihrer eigenen Familie enden würde.
Während sie sich innerlich wappnete, um Seans Blick zu erwidern, hob Danni das Kinn und setzte eine ausdruckslose Miene auf, die ihren inneren Aufruhr hoffentlich vor ihm verbergen würde. Sean musterte sie mit festem Blick, in dem sie dann aber plötzlich eine Veränderung wahrnahm. Waren es Zweifel, Misstrauen, was sie darin sah?
»Warum hat deine Großmutter dich geschickt, um mich zu holen?«, fragte Danni, um den durchdringenden Blick dieser seegrünen Augen mit einem Gegenangriff abzulenken.
Sean atmete tief aus. »Den Grund dafür kann ich dir nicht sagen, Danni, weil ich ihn selbst nicht kenne.«
»Hat es etwas mit Niall zu tun? Mit deinem Vater?«
Es war ein Schuss ins Blaue, aber er traf. Sean schob die Hände wieder in die Hosentaschen und furchte die Brauen.
»Hat es damit zu tun, Sean?«
»Warum sollte es?«
»Das weiß ich nicht ... es ist nur so ein Gefühl. Ich meine, ich sehe doch, wie du dich früher deinem Vater gegenüber benommen hast. Als Junge - als Michael - siehst du ihn an, als hasstest du ihn, und es scheint etwas Ernsteres als die Ängste eines Teenagers zu sein. Als hättest du einen Grund dafür. Du hast mir erzählt, wie du behandelt wurdest, nachdem Niall sich das Leben genommen hatte, aber das ist noch nicht geschehen, Sean - ich meine, nicht in dieser Zeit, in der wir jetzt gerade sind.«
Sean erwiderte nichts, doch er hielt sich steif wie ein Stock und möglichst fern von ihr.
»Rede mit mir, Sean! Hilf mir zu verstehen, was hier vorgeht!«
Er ließ den angehaltenen Atem aus und schüttelte abwehrend den Kopf. Doch schließlich sprach er endlich. »Weißt du, warum die Leute von Ballyfionúir so schnell von Mord sprachen, als deine Mutter mit dir und deinem Bruder verschwand, und warum sie so wild entschlossen waren, meinen Vater zu verurteilen, einen Fischer, der sein ganzes Leben friedlich hier gelebt hatte?«
»Weil mein Vater es ihn tun sah, dachte ich ...«
»Na klar, und einem Mann, der nicht einen einzigen Tag in seinem Leben einer anständigen Arbeit nachgegangen ist, würden sie natürlich auch mehr glauben als einem der ihren?«
»Aber die Beweise ...«
»Reichten nicht aus, um Niall zu verurteilen. Sie hätten es getan, wenn sie es gekonnt hätten.«
»Warum dann also?«
»Weil alle dachten, er sei vorher schon einmal ungeschoren davongekommen - als er meine Mutter tötete. Weil er schon seiner eigenen Frau das Leben genommen hatte. Von daher war es nicht schwer, sich vorzustellen, er könnte auch noch andere Menschen umgebracht haben.«
»Dein Vater hat deine Mutter ...?«
»Ja, verdammt, das sage ich doch!« In seinem Zorn und Kummer veränderte sich seine Stimme und wurde unangenehm hart und schroff. »Du willst wissen, warum ich ihn mit vierzehn hasste? Nun, da hast du
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