Der Lord ihres Herzens
vorenthält. „Am ersten schönen Tag machen wir ein Picknick, hast du gesagt. Und Lord Roxdale sollte auch mitkommen. Er hat gesagt, er würde Marthe bitten, uns einen speziellen Picknickkorb zu packen. Wir wollten irgendwelche
Ruinen anschauen. Jetzt ist es dafür zu spät und außerdem regnet es draußen wie aus Kübeln. Ich wollte diese Ruinen unbedingt sehen, Tante Jane, und jetzt regnet es wieder wochenlang!“
Normalerweise hätte Jane ihn mit Späßchen und Neckereien aus dieser Stimmung herausgeholt, doch nun brachte sie der Strom kindlicher Vorwürfe aus der Fassung.
Rasch wandte sie Luke den Rücken zu und biss sich auf die Lippen, um nicht in Tränen auszubrechen. Sie konnte nicht zulassen, dass er sie weinen sah.
Sie atmete ein paar Mal tief durch und wartete, bis sie sich wieder im Griff hatte. Dann drehte sie sich zu ihm um.
„Luke“, gelang es ihr mit ruhiger Stimme zu sagen. „Es ist schade, dass du dich heute so darauf gefreut hast. Du hättest mich früher daran erinnern sollen, dann hätten wir vielleicht noch aufbrechen können. “
Sie wünschte sich, dass Luke sie erinnert hätte. Sie wünschte sich, dass sie sich zu dritt fröhlich auf den Weg gemacht hätten, ohne an irgendetwas anderes zu denken als an den Spaß, der vor ihnen lag. Dann wären ihr vielleicht viele Schmerzen erspart geblieben.
Nein. Das rüde Erwachen war seit Langem fällig. Ein Ausflug hätte das Unvermeidliche nur hinausgeschoben.
Luke sah durchaus nicht besänftigt aus. Geduld zu zeigen überstieg im Augenblick zwar ihre Kräfte, doch sie bemühte sich.
In neckendem Ton sagte sie: „Komm her, du kleines Dummerchen.“ Sie legte den Arm um ihn. „Kein Grund, so sauer zu sein. Wir gehen ein andermal.“
„Das ist aber nicht dasselbe.“ Er befreite sich brummend aus der Umarmung, verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie finster unter zusammengezogenen Brauen. Er sah aus wie ein boshafter Kobold.
Sie wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte, aber sie wusste, wenn sie jetzt lachte, würde er nur noch wütender werden. Sie biss sich auf die Lippen, damit ihr nicht einmal ein Kichern entschlüpfte.
Warum bekam sie Lukes ganzen Zorn allein zu spüren? Constantine sollte auch hier sein.
„Wo ist Lord Roxdale?“, fragte sie.
„Er ist ohne mich ausgeritten“, brummte Luke.
Darum also ging es. Constantine hatte es sich angewöhnt, sich von Luke zu Pferd begleiten zu lassen, wenn er auf den Ländereien unterwegs war, und Luke genoss diese Ausritte mit seinem Idol.
Damit endlich wieder Frieden einkehrte, opferte sie sich heroisch: „Bestimmt wollte Lord Roxdale nichts lieber, als dass du ihn begleitest. Aber er wusste, dass ich ihm das Fell über die Ohren ziehen würde, wenn er dich bei einem Gewitter draußen rumstreunen lässt. “
Lukes Gesicht hellte sich ein wenig auf. Dann rollte er mit den Augen. „Ich bin doch nicht aus Zucker, Tante Jane.“
Er klang wie sein Vormund. Jane strich Luke über das Haar und schickte ihn los, sich die Hände fürs Abendessen zu waschen.
Sie wandte sich zum Fenster. Im Westen war der Himmel dunkler als der Höllenschlund. Sie hoffte, dass Constantine Unterschlupf finden würde, wenn das Gewitter losbrach.
Constantine war völlig durchnässt, als er abends zurückkehrte. Er war zu Bronsons Damm geritten, um den Wasserstand zu prüfen, das hatte er sich zumindest eingeredet. In Wahrheit sehnte er sich nach einer ordentlichen Prügelei. Er hatte gehofft, Trent oder einer seiner Handlanger würde ihm den Gefallen tun.
Doch die Wachen, die Trent aufgestellt hatte, hatten anscheinend ihren Posten verlassen, als das Wetter schlechter wurde. Im strömenden Regen war niemand zu finden.
Das Wasser stand gefährlich hoch, doch offenbar hatte Trent nicht die Absicht zu verhindern, dass der Damm brach und die Umgebung überflutete.
Irgendein rebellischer Impuls drängte Constantine, die ganze Geschichte einfach zu vergessen. Was kümmerte es ihn, wenn Bronsons Fabrik überflutet wurde oder Trents Pächter unter der Sintflut zu leiden hatten? Es war nicht seine Weberei. Es waren nicht seine Leute. Sobald der Damm brach, wäre seine Weberei wieder im Geschäft. Warum wollte er schlafende Hunde wecken?
Gleichzeitig wusste er, dass er morgen einen Fachmann rufen und mit ihm nach einer Lösung für den Staudamm und die Weberei suchen würde. Er betete zu Gott, dass der Damm so lang hielt.
Constantine ritt los. Er wusste nicht, wie viele Meilen er hinter sich
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