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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Arbeit, aber Arbeit der richtigen Sorte. Warum nicht?
    »Gary«, sagte er. »Ich sehe mich plötzlich am Scheideweg meines Lebens. Ich spüre es. Der eine Weg führt zu Wahnsinn und Wollust, der andere ins Establishment zum Erfolg. Welchen Weg soll ich wählen?«
    »Sag du es mir, Kumpel.«
    »Ich will es folgendermaßen ausdrücken. Hast du Lust, all deine Schulden auf einen Schlag loszuwerden, plus fünfhundert für die Holztäfelung? Ich habe einen Job für dich.«
    »Okay.«
    »Braver Junge.«
     
    Trefusis ging auf den Ausgabeschalter des Lesesaals zu. Der junge Bibliothekar sah ihn erstaunt an.
    »Professor Trefusis!«
    »Guten Morgen! Wie geht’s, wie steht’s bei Ihnen heute?«
    »Mir geht’s sehr gut, danke, Sir.«
    »Ich frage mich, ob Sie mir behilflich sein könnten?«
    »Dafür bin ich da, Professor.«
    Trefusis beugte sich vor und senkte verschwörerisch seine Stimme, keine leichte Angelegenheit für ihn. Zu seinen zahlreichen Gaben hatte er es nie zu zählen vermocht, mit gedämpfter Stimme zu sprechen.
    »Gefällig sei den Schnurren eines Manns, der alt und irr geworden vor der Zeit«, sagte er, leise genug, daß nur die ersten zwölf Reihen hinter ihm jedes Wort vernehmen konnten, »und sagt mir, ob es einen Grund gibt, warum ich vor einer Stunde nicht hätte hier sein sollen?«
    »Wie bitte?«
    »Warum hätte ich vor einer Stunde nicht in diesen Saal kommen sollen? War etwas im Gange?«
    Der Bibliothekar glotzte. Ein Mann, der Akademikern zur Hand geht, ist alle möglichen Formen von geistiger Zerrüttung und Verhaltensabweichungen gewohnt. Trefusis war ihm stets als fröhlich und erfrischend frei vonNervenzusammenbrüchen erschienen. Aber wie das Sprichwort sagt, alte Professoren sterben nicht, sie vertauschen nur ihr Katheder mit dem Katheter.
    »Nun, abgesehen von der Tatsache, daß Sie vor einer Stunde nicht hier sein konnten …«, sagte er.
    »Konnte ich nicht?«
    »Na ja, nicht, während Sie von St. Matthew’s aus mit Mr. Leyland telefoniert haben.«
    »Ich hab mit Mr. Leyland telefoniert?« fragte Trefusis. »Aber natürlich! Meine Güte, mein Gedächtnis … Leyland rief mich an, nicht wahr? Per Telefon, wenn ich mich recht entsinne. Stimmt ja, es war das Telefon, ich erinnere mich genau, weil ich mit ihm drüber gesprochen habe. Er rief mich an, per Telefon, um mit mir über … über … worüber noch gleich zu sprechen?«
    »Um Ihre Bevollmächtigung zu kontrollieren, daß jener Student diese … diese sekretierten Veröffentlichungen lesen darf.«
    »Das betraf Mr. Healey?«
    »Ja. Es war doch in Ordnung? Ich meine, Sie haben bestätigt …«
    »O ja. Völlig in Ordnung, selbstverständlich. Ich frage mich bloß … Willfahren Sie mir ein letztes Mal, und geben Sie mir eine Liste der Titel, die Mr. Healey zu sehen wünschte, geht das, mein Bester?«

VI
     
    »Entzwei will ich gehn, Sir!« sagte Mr. Polterneck. »Entzwei will ich gehn, wennich just der kleine Fratz für das denkbar ausgefallne Begehrn von Euch sich in unschuldigemSchlummer im Hinterzimmer zusammrollt. Prügelt mir von hier bis Cheapside, wennas nich die wahrste Wahrheit is, was je n Mann Ausdruck gab. Mrs. Polterneck weiß, dassas so is, mein Onkel Polterneck weiß, dassas so is, und keina, der mir kennt, könnte je vom Gegenteil überzeugt wern, da könnta ihn kochen und backen, und da könnta ihn aufs Streckbett spannen, um abweichenden Bescheid zu erlangen.«
    »Ich darf in diesem Gegenstande Eurer Treu und Eures Glaubens versichert sein?« fragte Peter.
    »Sir, Mr. Flowerbuck. Ich bin den Tränen nah, dassa da noch Zweifel hegen könnt! Mein Treu und Glauben bei so nem Behuf sinnas einzige klare Faktum, dessen Ihr namentlich versichert sein sollt, ne! Mein Treu und Glauben sind n Banner, Mr. Flowerbuck. Sie sind n Trutzturm, Sir, n Monument. Mein Treu und Glauben sind n Lüftchen nich, Mr. Flowerbuck, n Gebilde issas, das Ihr betasten und zu dem Ihr volla Ehrfurcht emporkucken sollt, und peitschen sollta mir, bissich blute, wennas nich so ist.«
    »Dann dürften wir wohl handelseinig werden?«
    »Na ja, Sir«, sagte Mr. Polterneck und brachte ein lachhaftes Taschentuch von grell scharlachner Seide hervor, mit dem er seine Braue tupfte. »Er isn ganz besondrer Fratz, der Joe Cotton. Ganz besonders außerordentlich. Nem Gentleman wie Euch, ders Wesen junger Fratze freilich wohl erfaßt, darf ichs sagen, er kennt nich seinesgleichen. Sonette könnt ich Euch sonettiern, Mr. Flowerbuck, vom Gold seiner Locken und der

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