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Der Lügner

Der Lügner

Titel: Der Lügner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Warum sollte dieser neue Adrian verantwortlich sein für die Sünden des alten?
    »Es ist so leicht zu erklären, Hugo. Leicht und sehr schwer. Ein einfaches Wort deckt alles ab.«
    »Welches Wort?
Kein
Wort könnte es erklären. Nicht alle Worte der Bibel.«
    »Das Wort ist geläufig genug, aber es könnte für mich etwas anderes bedeuten als für dich. Die Sprache ist ein Schweinehund. Erfinden wir also ein neues Wort. ›Liww‹ wird reichen. Ich liwwte dich. Mehr ist dazu nicht zu sagen. Ich war in dich verliwwt. Aus meiner Liww zu dir speiste sich jede einzelne meiner Stunden, ob wachend oder schlafend … Gott weiß wie viele Jahre. Nichts war je so mächtig wie jene Liww. Es war die führende Kraft meines Lebens, sie verfolgte mich damals und verfolgt mich noch heute.«
    »Du
liebtest
mich?«
    »Also, das hast du jetzt gesagt. Liww hat mit Liebe viel gemein, das gebe ich zu. Aber Liebe ist angeblich doch kreativ, nicht destruktiv, und wie du gemerkt hast, stellte sich meine Liww als letztlich sehr schädlich heraus.«
    Hugo umklammerte den Becherrand und starrte in seinen Wein.
    »Warum kamst du nicht …«
    »Ja?«
    »Ich meine … Alles, was du tust … die beschissene Zeitung, das Sich-schlafend-Stellen, das Kricketspiel, der Dickensroman … alles, was du tust, ist … ist … ich weiß nicht, was es ist.«
    »Doppelzüngig? Verborgen? Verstohlen? Verschlagen? Verlogen? Ausweichend?«
    »All das. Warum bist du nie aus dir herausgekommen und hast etwas öffentlich gesagt oder getan?«
    »Ich will verdammt sein, wenn ich das weiß, Hugo. Ich will ernsthaft verdammt sein, wenn ich das weiß. Vielleicht, weil ich ein Feigling bin. Vielleicht, weil ich nur in geborgten Kleidern existiere. Ich habe immer geglaubt, außer mir wären alle Betrüger. Außer für einen Wahnsinnigen bedarf es nur der einfachen Logik, um festzustellen, daß das Gegenteil die Wahrheit gewesen sein muß.«
    »Höllenläuten, Adrian. Hast du eine Ahnung, wie sehr ich dich bewundert habe? Die geringste Ahnung? Dein Talent? Manchmal bist du in den Umkleideraum reingekommen, als Oscar Wilde verkleidet oder Noel Coward oder wer auch immer, und bist wie ein Prinz auf und ab stolziert. Dir gegenüber habe ich mich immer so
klein
gefühlt. Was du alles kannst. Meine Mutter hält mich für einen Langweiler. Ich hab mir immer gewünscht, ich könnte du sein. Ich habe mir vorgestellt, ich wäre du. Ich habe nachts wach gelegen und mir ausgemalt, wie es wäre, wenn ich deinen großen Körper und dein Lächeln hätte, deinen Witz und deine Sprüche. Und natürlich habe ich dich geliebt. Ich habe dich nicht geliwwt oder gelowwt oder geluwwt oder gelawwt, ich habe dich geliebt.«
    »O Gott«, seufzte Adrian. »Falls ich jetzt einen Wegfinde, angemessen zum Ausdruck zu bringen, was ich denke und fühle, wirst du es für ein Stück verbaler Behendigkeit und das letzte Glied in einer langen Kette verbalen Unterschleifs halten. Siehst du? Ich kann nicht einmal ›Täuschung‹ sagen. Ich muß ›verbaler Unterschleif‹ sagen. Alle außer mir sind ehrlich. Vielleicht sollte ich also ohne Worte winseln und jaulen.«
    Adrian öffnete das Fenster, heulte wie ein ausgeflippter Muezzin in den Great Court hinaus und trieb die Vorstellung so weit, daß er echte Tränen hervorbrachte. Als er sich wieder umdrehte und ins Zimmer blickte, lachte Hugo.
    »Sie nennen’s Totenklage, glaube ich«, sagte Adrian.
    »Nun, es gibt immer noch das Klischee«, sagte Hugo und streckte die Hand aus. »Wir können jetzt einfach gute Freunde sein.«
    »Ich seh dir in die Augen, Kleines.«
    »Ich seh dir in die Augen, Kleines.«
    »Uns bleibt immer Paris.«
    »Uns bleibt immer Paris.«
    Adrian hob seinen Becher Wein. »Auf den Tod der Vergangenheit.«
    »Tod der Vergangenheit.«

 
    Ein Tweed, eine formlose grüne Webkordjacke und ein Eau-de-Nil-Chanel-Anzug konferierten im Savile Club Sand Pit.
    »Ich hege zu große Befürchtungen, daß jemandem in St. Matthew’s nicht zu trauen ist.«
    »Garth, meinen Sie?« fragte der formlose grüne Webkord.
    »Garth ist noch ziemlich so, wie er in Ihren Tagen war, Humphrey. Zum Verrücktwerden, griesgrämig, widerspenstig und rauh. Kein Spieler von Natur aus, hab ich den Eindruck. Kein Heimlichtuer. Außerdem ist es ziemlich unwahrscheinlich, daß er in diesem Spätstadium noch eingeführt worden wäre.«
    »Haben Sie von Béla gehört?« wollte der Chanel-Anzug wissen.
    »Kein Sterbenswörtchen. Er weiß, daß das Budapester Netz ihn unter

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