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Der Lüster - Roman

Der Lüster - Roman

Titel: Der Lüster - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Main> Schöffling & Co. <Frankfurt
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nach Granja Quieta! plötzlich war das die Wahrheit, die einzige, nachdem sie erwacht war und nirgends Vicente! betrogen, nirgends Vicente, sie hatte verschlafen! Und mein Hut?! … Sie hatte ihn für immer verloren. Wieder mit schwerem Körper, fast rennend, fast weinend nahm sie ein Taxi, fragte sich dabei, ob sie nach dieser Ausgabe noch genug Geld für die Reise haben würde, versank im weichen Sitz des Wagens, sprach gedrückt und dunkel mit dem Fahrer, der freundlich lächelte, mit feinem Gesicht, frisch gestutztem Bart, mit straffer und glücklicher Haut, bereit, seinen Tag zu beginnen. Er trat aufs Gaspedal, ein hitziges Geräusch erfüllte den Wagen, er presste die Lippen zusammen, dachte vage daran, dass man sich gut seine Brötchen verdienen konnte, indem man das Auto wiehern ließ wie unmittelbar vor dem Rennen, verdiente dann sein Geld, steckte es fein säuberlich in die Tasche, machte den Wagenschlag auf, damit der Fahrgast aussteigen konnte, stellte erneut die Plakette auf, die man bei der Stadtverwaltung erworben hatte: Frei. Ja. Frei, Frei, Frei. Er schloss die Lippen, runzelte dabei die Stirn, erfüllt von Verantwortungsgefühl und Strenge, während er auf die Hupe drückte, er blickte zur Ampel und dachte mit einem gewissen Wohlwollen, den Sitz schon warm und vertraut unter sich im Versprechen eines vollen Tages, einer anständigen Pause für ein anständiges Mittagessen, vieler Fahrten wohin wohl?: nett, diese erste Kundin.
    Sie wollte mit dem Nachtzug fahren, der kurz nach sechs Uhr abends ging. Und diesen Tag mit seinen Reisevorbereitungen durchquerte sie mit ruhigen, trockenen, überraschten Augen, vorausgeworfen in eine leere Zeit, die unbekannte Zukunft. Was würde werden? und wenn Vicente auftauchte? die Reise, das Aufwachen bei Tagesanbruch im Zug … und nie wieder vielleicht der stille Geruch in der Nase, der sich frühmorgens in der Stadt zusammen mit dem Staub erhob: wie ihr damit Gewalt angetan würde. Jeder Versuch einer Geste, um diesen lichten Platz auszudrücken, so eng in der Brust, jede Geste in diese Richtung versiegte, ohne auch nur einen Augenblick lang den wahren Sinn ihres Schmerzes zu umfassen. Schmerz war dieses Trockene, das sie so unvermittelt zerriss. In nichts als dem kurzen Unterkleid, die drallen Arme nackt, so stand sie da, ein Nachthemd in der Hand, bevor sie es in den Koffer packte, und sagte sich dabei fast: Ich bin ja wahnsinnig gegen mich selbst, gegen die Wirklichkeit! denn es hätte genügt, zu wollen und sich davon zu überzeugen, dass die Wirklichkeit der Reise eine andere war, die des Zugs, die des Imbisses im Zug, die des Wiedersehens mit ihrem Elternhaus, und nicht etwa die verrückte. Doch irgendein phantastisches Gefühl sog sie in eine langsame und übernatürliche, fast unpersönliche Stimmung, und mit schreckstarren Augen war sie gezwungen, zu sehen und zu verändern. Nein, nicht denken, sich mitziehen lassen mit den Ereignissen. Aber dann dachte sie wieder an Vicente und beugte sich vor, die Hand an den Körper gepresst, die Augen zugekniffen, voller Übelkeit und Erregung, in unerwarteten Krisen, die kamen und gingen wie die Wehen vor einer Geburt. Danach durchliefen sie eine Erleichterung und ein kalter Schweiß mit Müdigkeit, sie öffnete die Augen, blass. Sie packte das Nachthemd ein, flauschte es in den Koffer, mit den Fingerspitzen, die oberflächlichste Geste, die sie zustande brachte, um dem Heißhunger ihres Herzens ein Ende zu setzen, dessen Verlangen nach Tragik. Dann fuhr sie also weg! Nichts weiter. Heute würde sie im Zug sitzen und … Sie konnte die Gedanken nicht zu Ende denken, sie schreckte davor zurück, ihnen eine so deutliche Form zu geben, dass sie klar erschienen in ihrer Ärmlichkeit; denn dann wären sie unabhängig, und sie selbst hätte einen Schmerz ohne das Verständnis und die Duldsamkeit, die sie sich selbst gewährte, ehe sie wusste, was sie wirklich dachte. Auf Wiedersehen, meine lieben Kinder, sprach sie leise ins unaufgeräumte Zimmer, um in sich endlich die Krise auszulösen, die zu diesem Zustand gehörte. Sie war in dem Moment niedergeschlagen, alt, das lange Gesicht gelblich verfärbt. Ihr war auch schläfrig zumute: Wenn sie schlief, wäre sie in Sicherheit, dachte sie mit Angst und Glut.
    Sie legte sich hin, und sofort lastete die Müdigkeit der Nacht auf ihr, in der sie schlecht geschlafen hatte. Ach, wie entsetzlich glücklich sie war, erschöpft zu sein. Ein vages Weinen bildete sich in ihren

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