Der Lüster - Roman
Kraft, die Blütenblätter dick und müde, feucht von Schweiß – der Stiel war lang, so ruhig und hart. Das Wohnzimmer atmete gepresst, schläfrig. Die kleineren Blütenblätter bogen sich wie Nackenhaare im Sommer, verwelkt, blind, aber noch fähig, zu leben und zu erstaunen. Virgínia eilte lachend hinüber, neigte den dunklen Kopf, wich dann jedoch zurück, ein wenig erschrocken. Denn sie schlossen sich feindselig, ohne den geringsten Duft, als sträubte sich etwas in ihrem Wesen insgeheim gegen das Wesen Virgínias. Aber ich bin mit Blumen doch immer gut zurechtgekommen – das war der Eindruck, während sie sich auskleidete –, sie berührte sie beiläufig mit den Fingerspitzen, enttäuscht, vorsichtig geworden und schon ohne Anteilnahme. Die Blumen zitterten. Ohne zu wissen, warum, hatte sie nun endlich die Erlaubnis, traurig zu werden, und das suchte sie schon den ganzen Sonntagnachmittag lang, ohne dass es ihr recht hatte gelingen wollen. Ihre wahre Empfindung auf dem Spaziergang war so intim gewesen, hatte sie mit einer solchen Zartheit durchtränkt, dass nur noch so etwas wie ein Zweifel geblieben war, ein Warten. Sie wünschte sich etwas, das sie kleiden könnte für das Abendessen bei Irene, ein Gefühl von Ruhe und Stabilität, eine Art lupenreine Gewissheit der Niederlage, damit ihr unmöglich wäre, unaufhaltsam von neuem zu kämpfen und zu hoffen. Sie begann, sich ausgehfertig zu machen. Das weiße Kleid lag über dem Bett, es belebte das kleine Zimmer und gab ihm etwas von einer merkwürdigen, verbotenen Erregung. Im knappen Unterrock, ein Körper mit einer kaum auszumachenden Taille, so besah sie sich im Spiegel – würde sie bereit sein, sich fremdem Lachen und Glanz zu stellen? Ihr Gesicht irrlichterte im Schatten. Seit dem Blick auf Daniels schwarze Spinnen schielten ihre Augen ein wenig, sie brachten eine schnelle Spur von Irrtum und Beweglichkeit auf ihr Gesicht, in dem etwas Unbestimmbares zu schwanken schien, fast sich verwandelnd – zuweilen erinnerte es an ein Bild, das sich im Wasser spiegelt. Ums Zimmer herum lebten die Dinge in tiefer Beruhigung, und auf der Straße war seit dem Vortag der Lärm der Baustellen verstummt. Die anderen Wohnungen standen um diese Sonntagsstunde leer; der eine oder andere Schrei eines Kindes wurde laut, gefangen im Zement des Gebäudes. Eine Hand am Gesicht, vergessen in zerstreuter Liebkosung, wartete sie ohne Mut. Nach und nach begann auf dem Grund ihrer Nachlässigkeit ein Punkt in ihr schwach zu leben, zu pulsieren, bezogen auf die Dinge ringsum … Jetzt wartete sie mit größerer Vorsicht, die Augen geöffnet, das Herz geöffnet, düster geöffnet, bebend vor Erwartung. Sie wartete … Aber so unvertraut waren die Stille und der weiße Unterrock, dass sie plötzlich, als hätte sie das Warten selbst nicht gespürt, in Bewegung kam und in einem anderen Zustand weiterlebte, etwas Einfachem und Leichtem zwischen den lautlosen Baustellen. Als sie das Kleid überzog, klopfte es stürmisch an der Tür. Sie öffnete und sah sich der Wäschefrau und ihrer Tochter gegenüber, mit dem Paket frischer Wäsche, die beiden entschuldigten sich dafür, nicht am Samstag gekommen zu sein, sahen überrascht das nie gewaschene Seidenkleid Virgínias, die sie doch nur in bescheidener Kleidung kannten. Der hohe Ausschnitt und das knappe Korsett hoben ihre Brust, die dadurch noch größer wirkte; der enge Gürtel schnürte nutzlos die Taille zusammen, ohne sie schmaler zu machen. Die kleinen Glasknöpfe bebten mit jedem Atemzug. Das Cremeweiß gab ihrer feinen Haut etwas Reines und brachte ihr kurzes Haar zum Glänzen. Rasch wechselte sie einen Blick mit den Frauen, nahm eine weltgewandte Haltung an, während sich die Pupillen bewegten, genüsslich und suchend:
»Jetzt geht es gerade nicht, wirk-lich ü-ber-haupt nicht!«, sagte sie mit lustvoller, beschäftigter Sinnlichkeit. »Ich habe gestern gewartet und heute den ganzen Nachmittag, Sie können sich das gar nicht vorstellen, kommen Sie morgen wieder, ich bitte Sie darum, ich bitte Sie recht herzlich … morgen gebe ich Ihnen die schmutzige Wäsche, heute habe ich nämlich ein Abendessen … verstehen Sie, ich muss mich fertig machen, der Fahrer kommt mich sicher gleich abholen … So ist das leider mal, wissen Sie …« Sie unterbrach sich, blinzelte auf der Suche nach weiteren Worten für ihre Regung, fast nachdenklich. Mit betörten und dusseligen Mienen sagten die Wäschefrauen: Ja, ja, und schoben
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