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Der Mackenzie Coup

Der Mackenzie Coup

Titel: Der Mackenzie Coup Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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nervös. Das war schließlich erst ihre zweite Auktion, und bislang hatte man ihre Leistung bestenfalls als »solide« eingestuft. Keine echten Schätze waren zutage gefördert, keine Rekorde gebrochen worden. Wie Allan Cruikshank bemerkt hatte, konnte der Kunstmarkt noch monate-, wenn nicht sogar jahrelang so weiterdümpeln. Man befand sich schließlich in Edinburgh – nicht in London oder New York. Hier ging es hauptsächlich um schottische Werke.
    »Einen Freud oder Bacon wirst du nicht finden«, hatte Allan gesagt. Mike konnte ihn jetzt sehen, wie er in der drittletzten Reihe saß, nicht um zu bieten, sondern um einen letzten Blick auf die Gemälde zu werfen, bevor sie bei privaten Kunstliebhabern oder in der Sammlung irgendeines Konzerns verschwanden. Von da aus, wo er stand, konnte Mike den ganzen Saal überblicken. Ringsum gespannte Erwartung und Flüstern. Kataloge wurden ein letztes Mal durchgeblättert. Mitarbeiter des Auktionshauses saßen an ihren Telefonen, bereit, die Gebote auswärtiger Interessenten entgegenzunehmen. Mike fragte sich: Wer waren diese Leute am anderen Ende der Leitung? Finanziers aus Hongkong? New Yorker Kelten mit einem Faible für pastorale Szenen aus den Highlands? Rockstars und Filmschauspieler? Er stellte sich vor, wie sie, während sie ihre Gebote in die Sprechmuschel riefen, manikürt oder massiert wurden, in ihrem Fitnessraum Hanteln stemmten oder in ihren Privatjets saßen. Irgendwie waren sie ihm immer glamouröser erschienen als die Leute, die sich die Mühe machten, persönlich an den Auktionen teilzunehmen. Einmal hatte er Laura um ein paar Infos über die Telefonbieter gebeten, aber sie hatte sich lediglich verschwörerisch einen Finger an die Nase gelegt.
    Er kannte wahrscheinlich die Hälfte der Anwesenden: größtenteils Händler, die anschließend versuchen würden, die Gemälde weiterzuveräußern. Hinzu kamen die Neugierigen, die in ihrer schlichten Straßenkleidung so aussahen, als hätten sie sich nur da hineinverirrt, weil sie nichts Besseres vorhatten. Vielleicht besaßen ein paar von ihnen selbst ein, zwei Bilder, Erbstücke von einer längst verblichenen Tante, und wollten jetzt herausfinden, wie viel der betreffende Künstler so brachte. Dann gab es noch einige Leute wie Mike – echte Sammler, die sich so ziemlich alles leisten konnten, was unter den Hammer käme. Ein paar Gesichter sagten ihm nichts. Und ganz vorn – in der Grünschnabelreihe – saß, allerdings ohne Bieterkelle (und somit nur aus Neugier hier), Chib Calloway. Mike hatte ihn schon gleich beim Betreten des Raums entdeckt, es bislang allerdings geschafft, selbst unerkannt zu bleiben. Die zwei Männer, die links von Calloway an die Wand gelehnt standen, waren dieselben, die er eine Woche zuvor im Shining Star gesehen hatte. Als Mike ihm in der National Gallery über den Weg gelaufen war, hatte Galloway offenbar keine Gorillas benötigt. Mike fragte sich, was jetzt anders war. Vielleicht wollte der Gangster aber auch nur auffallen, wollte die Anwesenden wissen lassen, dass er jemand war, der sich Personenschutz leisten konnte. Dass er eine große Nummer war.
    Ein Hammerschlag signalisierte, dass die Auktion begonnen hatte. Die ersten fünf Positionen waren im Handumdrehen weg und erreichten lediglich den unteren Bereich des Schätzwerts. Eine Gestalt erschien in der Tür, und Mike grüßte mit einem Kopfnicken. Jetzt, kurz vor seiner Pensionierung, schien Robert Gissing mehr Zeit für Besichtigungen und Auktionen zu haben. Er inspizierte den Raum mit einem allumfassenden finsteren Blick. Während Allan lediglich bedauern mochte, dass ihm so viele Bilder vor der Nase weggeschnappt wurden, war Gissing dafür bekannt, bei Versteigerungen regelmäßig einen apoplektischen Anfall zu bekommen, aufzuspringen und mit dröhnender Stimme in den Saal zu brüllen: Geniale Meisterwerke! In die Sklaverei verkauft und den Augen der Massen entrissen! Mike hoffte, dass er an diesem Abend keine Szene machen würde – Laura hatte schon so genug am Hals. Er bemerkte, dass auch Gissing sich keine Bieterkelle geholt hatte, und begann sich zu fragen, wie viele der Anwesenden tatsächlich beabsichtigten, etwas zu kaufen. Die nächsten zwei Positionen erreichten nicht einmal den Ausrufpreis, was Mikes Besorgnis erhöhte. Er wusste, dass einige der Händler sich im Vorfeld zusammensetzten, ihre jeweiligen Interessen klärten und Absprachen trafen, durch die Überbietungsschlachten verhindert werden sollten. Sie

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