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Der Maedchensammler

Der Maedchensammler

Titel: Der Maedchensammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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interessiert hatte. Die Jungs in der Schule waren … Jungs. Sie kam sich immer vor wie deren große Schwester. Sie hatte mehr gemeinsam mit Joe und seinen Kumpels von der Polizei als mit Gleichaltrigen.
    Aber nicht mit Mark Trevor. Mit ihm hatte sie nichts gemeinsam, und es gab keinen Grund, sich ihm so nah zu fühlen.
    Sie ging in ihr Zimmer und zog sich so leise wie möglich aus.
    Ihr Gesicht und ihre Hände waren noch ganz verdreckt, aber sie würde nicht noch einmal nach unten ins Bad gehen, um sich zu waschen. Sie konnte von Glück reden, dass Eve und Joe von ihrem heimlichen Ausflug in das Tunnellabyrinth nichts bemerkt hatten, und sie würde nicht riskieren, sie jetzt zu wecken. Sie würde einfach früh aufstehen und duschen, bevor die beiden aus ihrem Zimmer kamen.
    Sie trat ans Fenster und schaute auf die gewundene Straße hinunter. Ob Aldo im Schatten eines der Hauseingänge stand und sie beobachtete? In dem Tunnel, der zum Theater führte, hatte sie die ganze Zeit den Tod gespürt, aber nicht den Tod, den Aldo repräsentierte. Trevor hatte ihr das alte Herkulaneum in allzu leuchtenden Farben geschildert. Junge, sonnengebräunte Sportler, vornehme Damen in Sänften, Schauspieler bei der Probe. Alle in der Blüte ihres Lebens dahingerafft. Als ihr das Ausmaß der Katastrophe klar geworden war, hatte sie das ziemlich mitgenommen.
    Und dennoch hatte sie sich noch nie so lebendig gefühlt wie in dem Augenblick, als Trevor ihre Wange berührt hatte. Vielleicht war sie deswegen so leicht zu irritieren gewesen.
    Aber jetzt war sie zurück in der Realität.
    Zurück in Aldos Welt.

    Es wirkte tatsächlich wie ein Trauerzug, dachte Aldo. Der metallene Sarg wurde von vier Studenten Sontags getragen, gefolgt von den trauernden Hinterbliebenen in Gestalt von Joe Quinn, Eve Duncan und den Journalisten und Soldaten.
    Der Sarg.
    Begierig starrte Aldo auf die Kiste, die Ciras sterbliche Überreste enthielt. Solche speziell angefertigten Särge hatte er als Junge häufiger gesehen, wenn er auf den Ausgrabungsstätten seines Vaters gespielt hatte. Offenbar hatte Sontag alles in seiner Macht Stehende getan, um das Skelett vor dem Zerfall zu bewahren.
    Es würde ihm nichts nützen. Er, Aldo, würde diese Knochen zerschlagen und zu Staub zermahlen. Er würde das Skelett schänden und …
    Jane MacGuire und Mark Trevor waren gerade um die Ecke gebogen, sie bildeten das Schlusslicht des Trauerzugs. Im schwachen Schein der elektrischen Lampen, die die Grabesfinsternis erhellten, wirkte Jane blass und gefasst. Sie schaute starr geradeaus, aber nicht auf den Sarg. Was empfindest du? Erregung? Triumph? Oder tut es zu weh, du Miststück? Du weißt noch nicht, was Schmerz ist.
    Spürst du, dass ich dich beobachte? Macht es dir Angst? Aber du magst es, wenn Männer dich anstarren, nicht wahr? Trevor verschlingt dich ja geradezu mit seinen Blicken. Wie lange hast du gebraucht, um ihn in dein Bett zu locken, du Hure?
    Blanke Wut überkam ihn. Das hätte nicht passieren dürfen.
    Trevor hatte kein Recht, sich zwischen sie und ihn zu stellen. Er, Aldo, hätte in ihrem Bett landen sollen. Aber das würde noch kommen. Bevor er ihr Gesicht zerstörte, würde er ihren Körper nehmen. Er würde sich in sie ergießen und das Böse namens Cira vernichten.
    Aber womöglich würde das nicht ausreichen. Was, wenn ihm nur ein paar Augenblicke vergönnt waren, um diesen letzten Triumph auszukosten? Er brauchte mehr. Er brauchte wieder Kontakt zu ihr. Er brauchte ihre Stimme, er musste ihre Worte hören.
    Der Trauerzug war um die Ecke und außer Sichtweite verschwunden. Er musste sich beeilen, um sich nicht abhängen zu lassen. Eilig lief er durch den Räubertunnel, der parallel zu dem Theatertunnel verlief. Eigentlich brauchte er sich keine Sorgen zu machen. Sie würden ihm nicht entwischen. In diesen Tunneln kannte er sich aus, und die Dunkelheit war seine Verbündete. Das Blut pulsierte mit einem berauschenden Rhythmus durch seine Venen.
    Seine Zeit war gekommen.

17
    »Sie haben sich ja jede erdenkliche Mühe gegeben, um das alles echt wirken zu lassen«, sagte Eve zu Trevor, während sie zusah, wie die Studenten den Sarg in der weiträumigen, hohen Bibliothek vorsichtig abstellten. »Die jungen Leute hatten ja ziemliche Mühe, den Sarg die Leiter hochzuschaffen.«
    »Sie hätten noch viel mehr Mühe gehabt, wenn Sontag die Öffnung nicht so groß angelegt hätte, dass große Gegenstände hindurchpassen.«
    »Soweit ich das beurteilen kann, ist

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