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Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Der Mahlstrom: Roman (German Edition)

Titel: Der Mahlstrom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frode Granhus
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Ihre Stimme war dünn und zittrig, als fürchtete die Frau, dass ihr Gatte gleich dasselbe tun würde wie die Puppe – seine Umarmung lösen und sie verlassen.
    »So kann man es sicher deuten.« Lind schien jedoch Schwierigkeiten mit solchen Interpretationen zu haben.
    Die Frau holte tief Luft und nahm ihre ganze Kraft zusammen, bevor sie sagte: »Ich glaube, diese Puppe soll uns etwas sagen!«
    »Und zwar?«
    »Dass jemand auf der Suche ist. Und zu einer letzten Reise aufgebrochen ist.«

7
Bodø
    Das Recht auf Vergeltung
    Rino starrte auf die handgeschriebenen Worte und war ganz sicher, dass es bei diesem Fall um Hass ging. Bodenlosen Hass. Kim Olaussen, der Schankkellner, hatte keine einzige Person nennen können, die ihm eine baldige Heimkehr zu seinem Schöpfer wünschen würde. Doch die Worte, die der Täter ihm ins Ohr geflüstert hatte, sprachen eine andere Sprache. Denn Olaussen war nur wenige Stunden von einem langsamen und qualvollen Tod entfernt gewesen, und nur pures Glück hatte ihn gerettet. Also war das Verbrechen auch keine Warnung, und das legte die Vermutung nahe, dass eine Wiederholung nicht auszuschließen war.
    Keiner von Olaussens Kollegen hatte irgendwelche zwielichtigen Gäste bemerkt, abgesehen von der Tatsache, dass man von Natur aus zwielichtig sein musste, um einen Ort wie den Kjelleren zu frequentieren. Thomas hatte sich in der Zwischenzeit darangemacht, ein paar der Stammgäste aufzuspüren, in der Hoffnung, dass ihnen trotz ihres Vollrauschs noch irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen war.
    Das andere Opfer, Nils Ottemo, das sich gerade im Krankenhaus Haukeland befand und im Moment wahrscheinlich Haut von irgendeinem dickhäutigeren Körperteil transplantiert bekam, konnte sich nicht erinnern, eine ähnliche Botschaft gehört zu haben, doch die Vergeltung war bei ihm deswegen nicht milder ausgefallen.
    Die Kopien der drei Zeichnungen hingen links neben Rinos Schreibtisch. Die Motive waren identisch, nur marginale Unterschiede verrieten, dass sie von Hand gezeichnet worden waren. Und da die Signatur den Opfern nichts sagte, half sie auch den Ermittlern nicht weiter, wenngleich es an kreativen Beiträgen nicht mangelte.
    Rino steckte seinen Bleistift in einen monströsen Anspitzer, der mit einer Schraubzwinge am Schreibtisch befestigt war. Er gab Bleistiften den Vorzug vor Kugelschreibern, nicht zuletzt wegen des Anspitzens, ein Ritual, das verfahrene Gedanken wieder ins Rollen brachte. Er suchte sich ein weißes Blatt Papier und schrieb gemeinsame Nenner darauf. Einen halben Bleistift später hatte er vier Stichpunkte. Alle Opfer waren mittleren Alters, obwohl er bei Olaussen vermutete, dass sein Alterungsprozess durch den Lebensstil beschleunigt worden war. Alle hatten Kinder, und keiner von ihnen wohnte mit der Mutter des Kindes zusammen. Zwei von ihnen bezogen Sozial-
hilfe, und er nahm sich vor, noch genauer zu untersuchen, ob das letzte Opfer seinen Lebensunterhalt etwas aufbesserte, indem es ein wenig von seinem Stolz herunterschluckte – wobei das heutzutage auch nicht mehr so schwer war. Unter diese Punkte schrieb er Hass , ohne eine unmittelbare Verbindung zu sehen. Stattdessen griff er zum Handy und suchte sich Joakims Nummer heraus. Nach dem zweiten Klingeln kam das Besetztzeichen. Das sah Joakim gar nicht ähnlich, wo er doch sonst jede Sekunde des Tages erreichbar war, als hinge die Sicherheit des Landes von seiner Anwesenheit ab. Wenige Sekunden später bekam er eine SMS .
    Kann nicht antworten. Treffe mich grade mit Mama und dem Typen. Ruf dich später an.
    Der erste Gedanke, der ihm kam, war der, dass Joakim ausnahmsweise einmal alle Hausaufgaben gemacht hatte und der Rektor vor lauter Freude ein Treffen angesetzt hatte. Denn wenn es eines der üblichen Treffen war, bei denen der Vertrauenslehrer sich mal wieder darüber auslassen musste, dass Joakim sich nicht richtig konzentrieren konnte, wären sie zu zweit hingegangen, so lautete ihre Absprache. Also kam er zu dem Schluss, dass es um etwas ging, das kurzfristig aufgekommen war. Er holte wieder seine Liste mit den gemeinsamen Nennern hervor. Wenig später gab er auf, ging stattdessen auf den Flur und klopfte an die Tür seines Kollegen. Wie immer roch es nach einer Mischung aus Shampoo und Seife, was daran lag, dass Thomas Bork jeden Morgen zur Arbeit joggte und daher eifrig die Gemeinschaftsdusche nutzte. Außerdem machte er dreimal die Woche Krafttraining, was weiteres Duschen nach sich zog. Mangelnde Hygiene

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