Der Mann aus Israel (German Edition)
Überraschung.“ ruft er und geht auf mich
zu.
„Das ist Dr. Otto Guttmann, mein Vater.“ wendet sich Raffael
an mich. Und zu ihm sagt er „Vater, das ist Dr. Elisabeth Tobler aus
Deutschland, mein Boss auf dieser Reise.“ Also doch Guttmann, denke ich, wieso
haben die beiden nicht den gleichen Namen? Otto Guttmann nimmt meine beiden
Hände und schüttelt sie.
„Herzlich willkommen in meiner Hütte.“ sagt er. Er
berlinert.
„Seit wann hörst Du Bach?“ fragt Raffael seinen Vater. „Ich
dachte, er sei Dir zu mathematisch. Vor allem die Goldberg-Variationen. “
Ah ja, das ist diese Musik. Genau. Was eigentlich weiß dieser Mann nicht?
„Du hast mir noch nie eine Veränderung zugetraut, was?“
antwortet der Vater lächelnd. Er mustert seinen Sohn. Sie mustern sich beide.
Keine Umarmung, kein Händeschütteln zwischen Otto und Raffael. Eine eigenartige
Begrüßung, denke ich.
„Kommen Sie, meine Liebe“, Otto Guttmann nimmt mich am Arm.
„machen Sie es sich bequem.“ Er führt mich zu einem der roten Sofas. „Was darf
ich Ihnen denn anbieten? Es gibt israelisches Wasser. Das trinkt sicher mein
Herr Sohn. Aber für uns beide“, und er zwinkert mir vergnügt zu, „hätte ich
Internationales. Französischen Rotwein, hiesigen Weißwein oder irischen Whisky.
Na, wie sieht es aus?“ Ich entscheide mich für Weißwein, obwohl ich Rotwein
lieber trinke, aber davon bekomme ich Mundgeruch.
„Sorgst Du mal eben für uns, mein Sohn.“ Er spricht mit
Raffi in dem gleichen liebenswürdigen, unverfänglichen Ton wie mein Vater immer
mit uns Kindern gesprochen hatte, denke ich. Gewogen und für zu leicht
befunden , war meine Definition dieser unauslöschlichen Erinnerung an meines
Vaters Umgang mit uns gewesen. Raffael klappert mit den Gläsern in einem
Nebenraum.
„Sie leben ja hier in einem Märchenschloss!“ rufe ich Otto
Guttmann begeistert zu. Er lächelt mich an und nickt. Ich studiere sein
Gesicht, suche nach Zügen, die Raffael gleichen. Außer den grünen Augen, finde
ich nichts. Otto Guttmanns Gesicht ist friedfertig, humorvoll, intellektuell
und sehr entspannt.
„Sie haben sich doch nicht mit ihm eingelassen, oder?“ fragt
er mich besorgt. Ich stutze und blicke ihn erstaunt an. Um Himmels Willen,
denke ich, was meint er denn damit? Eingelassen? Hält er seinen Sohn für ein
Ungeheuer? Oder bringt Raffi seine Flirts jeweils mit zu seinem Vater in dieses
orientalische Boudoir? Oder ist er ein Moralapostel, der die Rechte der
Schwiegertochter schützen will? Ich will ihm antworten, aber bevor ich das
erste Wort sagen kann, kommt Raffael mit einem Tablett, auf dem drei Gläser und
zwei Flaschen stehen, zurück ins Zimmer. Der Vater hatte recht gehabt, der Sohn
verweigert den alkoholischen Genuss. Ich habe mich nicht eingelassen mit Ihrem
verrückten Sohn, hätte ich gerne zu Herrn Guttmann gesagt, aber ich würde doch
wissen wollen, was ihn zu einem derartigen Fremdkörper hat werden lassen.
Können Sie mir das erklären, Herr Guttmann? Haben Sie etwas damit zu tun? Ich
werde es nicht erfahren, denke ich, es sei denn, ich frage jetzt, in Raffaels
Gegenwart.
Ich schaue Raffael an und dann den Vater. Wir prosten
einander zu. „ Le chaim! Auf das Leben.“ Otto Guttmanns Welt gefällt mir.
Ich möchte schon wieder die Zeit anhalten, nicht mehr aufstehen aus diesem
roten Sofa, der Musik lauschen und die eigenwillig intensive Atmosphäre genießen.
„Es ist wunderschön hier.“ sage ich und lasse meine Blicke durch das
orientalische Ambiente streifen. Da sehe ich, dass Skulpturen den Raum
bevölkern. Ich hatte sie wohl, nervös wie ich war, zuerst gar nicht
wahrgenommen. Auf dem Fernseher sitzt ein Buddha mit nach vorne ausgestreckten
Armen, eine zierliche Figur mit einem Krönchen auf dem Kopf. Sie scheint aus
Holz zu sein, vielleicht war sie einmal mit goldener Farbe bemalt, denn
vereinzelt glitzern goldene Reste auf der eleganten Skulptur. Hinter den Sofas
sind kleine Konsolen in verschiedenen Höhen angebracht. Auf jeder steht ein
asiatischer Kopf. Ich tippe wieder auf Buddha-Abbildungen. Es könnte
Gandhara-Stil sein, denke ich, denn die Köpfe haben alle diese ebenmäßigen
Gesichter, fein gezeichnet in den Stein, die Ohren sind frei vom Kopf weg
gearbeitet und die Stirnen zieren geflochtene Kronen oder turbanartige
Bedeckungen. Die Gewänder sind, wie in der hellenistischen Zeit, transparent
und in lockeren Falten auf den Körper gearbeitet. Ich verstehe nicht genug von
chinesischer
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